19.11.2016 Unsere Forderungen und der Berliner Koalitionsvertrag

Der Berliner Koalitionsvertrag und unsere acht Forderungen

Aktion Freiheit statt Angst hatte sich Anfang Oktober an einem Offenen Brief an die Rot-rot-grünen KoalitionverhandlerInnen beteiligt. Der Brief wurde den 3 Verhandlungsgruppen am 10.10. zugestellt. Nun ist der Koaltionsvertrag fertig.

Haben die Verhandlungsgruppen auf uns gehört und dürfen wir den VerhandlerInnen und uns auf die Schulter klopfen?

Optimismus ist gut - Realismus ist angesagt:

Forderung 1) die polizeiliche Vorratsdatenspeicherung der personenbezogenen Daten von DemonstrationsanmelderInnen in der so genannten "Stadtweiten Veranstaltungsdatenbank" (VDB) sofort einzustellen und die bislang darin gespeicherten Daten unverzüglich und unwiderruflich zu löschen.

auf Seite 208 dazu: "Die Koalition wird die Veranstaltungsdatenbank durch die Datenschutzbeauftragte überprüfen lassen."

... aber nichts zu Sinn und Zweck der VDB und wofür man sie gedenkt zu benötigen.

Forderung 2) die Praxis der Funkzellenabfragen einzustellen oder zumindest in ihrem Umfang drastisch zu reduzieren und vor allem die Benachrichtigung aller davon auch nur temporär betroffenen KommunikationsteilnehmerInnen entsprechend § 101 Absatz 2 StPO umfänglich und unmittelbar zu gewährleisten, so wie von der derzeit noch amtierenden Regierung angekündigt und versprochen, jedoch nicht umgesetzt wurde.

auf Seiten 208/209 dazu: "Die Koalition stellt sicher, dass die Funkzellenabfrage sowie die stille SMS nur gesetzeskonform angewandt wird. (...) Die Koalition will ein SMS-Informationsmodul zur Benachrichtigung von Betroffenen des von öffentlichen Funkzellenabfragen Dienstes realisieren."

Der 2. Satz bekräftigt immerhin die Absicht der Informationspflicht nachzukommen, die auch der vorige Senat schon hatte.

Forderung 3) die gesetzliche Befugnis zur anlasslosen Videoüberwachung von Versammlungen ("Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen") zurückzuziehen und damit den Grundrechten auf Versammlungsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung wieder Geltung zu verschaffen sowie der bundesweiten Zersplitterung der Versammlungsgesetzgebung endlich Einhalt zu gebieten.

auf Seite 208 dazu: "Die Koalition stellt Versammlungsteilnehmer*innen nicht unter Generalverdacht. Daher setzt sie sich für eine restriktive Handhabung beim Filmen von Versammlungen ein. Sie wird ein Berliner Versammlungsgesetz erlassen, das als deutschlandweites Vorbild für ein demokratierförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsrecht dienen kann."

Na, dann können wir ja beim neuen Versammlungsrecht wieder mitdiskutieren. Das haben wir schon im rot-grünen Schleswig-Holstein gemacht und herausgekommen ist eine Verschlimmbesserung.

Forderung 4)  das zuletzt noch von Innensenator Henkel angeschobene Pilotprojekt zum Einsatz von umstrittenen Taser-Waffen bei der Polizei sofort abzubrechen, um nicht einen gefährlichen Präzedenzfall für den Einsatz dieser nur angeblichen ungefährlichen Waffe im Polizeialltag zu schaffen.

Dazu gibt es kein einziges Wort im Koalitionsvertrag. Das ist eine sehr schlechte Nachricht.

Forderung 5) die umstrittene Gefahrengebiets-Politik der Vorgänger-Regierung endlich zu beenden und künftig keine besonderen Gefahrengebiete mit polizeilichen Sonderbefugnissen mehr auszuweisen, mindestens aber der Geheimhaltung der Anzahl, des Umfangs und der Begründung von Gefahrengebieten ein Ende zu bereiten und neben der Transparenz die Wirksamkeit, die Verhältnismäßigkeit und damit die Rechtmäßigkeit, also den Sinn dieser Maßnahme von unabhängiger Stelle evaluieren zu lassen, bevor anlasslose Kontrollen und Durchsuchungen von Menschen und Wohnungen weiter fortgeführt werden.

dazu auf Seite 200: "Die Koalition wird die kriminalbelasteten Orte nach § 21 Abs. 2 ASOG veröffentlichen und die maximale Dauer des Unterbindungsgewahrsams auf 48 Stunden begrenzen."

Das ist mal eine konkrete Aussage, wenn auch nicht eine wirkliche Abkehr von der Gefahrengebietspolitik.

Forderung 6) den Vorstoß, öffentlichen Raum in Berlin mittels Änderung des § 24a ASOG polizeilich dauerhaft videoüberwachen zu lassen solange zu verwehren, bis ein verhältnismäßiger Einsatz von Überwachungskameras zur Verhinderung von Straftaten von unabhängiger Seite wissenschaftlich bzw. sachlich belegt werden kann.

Dazu gibt es wohl nichts im Koalitionsvertrag - das ist ein sehr schlechtes Zeichen.

Forderung 7) eine Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei zur Annahme von Anregungen, Ideen, Beschwerden und Lob zum Verhalten von Polizei oder anderen Teilen des Innensenats oder seiner Behörden in Form einer/eines unabhängigen Polizeibeauftragten einzurichten.

auf den Seiten 199/200 dazu: "Zur Stärkung der Bürgerrechte und der Akzeptanz polizeilichen Handelns wird die Koalition das Amt einer oder eines Bürgerbeauftragten des Landes Berlin und Beauftragten für die Landespolizei nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz einrichten. Die oder der Beauftragte für die Berliner Polizei ist auch Ansprechpartnerin oder -partner für Polizeibedienstete. Für eine effektive Aufgabenerfüllung wird die Koalition die oder den Beauftragten mit den nötigen Befugnissen, u.a. umfassenden gesetzlichen Einsichtsrechten sowie dem erforderlichen Personal ausstatten. Im Zuge der Einführung der oder des Bürgerbeauftragten wird das Petitionsrecht angepasst."

Na, das hört sich doch gut an - wollen wir mal sehen was dabei herauskommt.

Forderung 8) den Einsatz von V-Leuten durch den Berliner Geheimdienst ("Verfassungsschutz") zu verbieten und den aktuell noch bestehenden Einsatz von staatlich bezahlten und geschützten Spitzeln schnellstmöglich zu beenden, die Behörde zu einer Institution ausschließlich offener Beobachtung und Sammlung öffentlich verfügbarer Informationen ohne weitere Befugnisse zurückzubauen, somit das Trennungsgebot ernst zu nehmen und mit Leben zu erfüllen. Außerdem fordern wir, zukünftig die Informations- und Bildungsarbeit an unseren Schulen mit sofortiger Wirkung ausschließlich den dafür geeigneten Stellen (z.B. Berliner Landeszentrale für politische Bildung oder zivilgesellschaftlichen Organisationen) zu überlassen. Mittelfristig ist die Abschaffung des Berliner Geheimdienstes anzustreben und entsprechende Schritte zur Auflösung des "Berliner Verfassungsschutzes" in der Abteilung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sind einzuleiten.

dazu steht einiges auf den Seiten 201 und 202: "Der Einsatz von V-Leuten des Verfassungsschutzes ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich und bedarf der Zustimmung des zuständigen Staatssekretärs.(...) Über nachrichtendienstliche Maßnahmen sollten die Betroffenen im nachhinein unterrichtet werden.  (...)Die Koalition ist sich einig, dass die politische Bildung nicht zum Kernbereich des Verfassungsschutzes gehört."

Satz 1 übergibt uns in die Allmacht "des zuständigen Staatssekretärs". Der 2. zitierte Satz enthält das böse Wort "sollten". Eine gute Nachricht enthält der letzte Satz, Verfassungschutz-Beamte im Schulunterricht wird nun hoffentlich in Berlin nicht mehr geben.

Fazit: durchwachsen

Es gibt ein paar kleine Hoffnungsschimmer, mal sehen, wie die im Klein-Klein der Politik dann realisiert werden.

Zur Videoüberwachung: groß geplant war von Henkel die Überwachung des Alexanderplatzes. Die wird es nicht geben. Da soll es jetzt eine gemeinsame Wache von Bund und Land geben.

Über "kriminlaitätsbelastete Orte" wird man künftig wenigstens öffentlich diskutieren dürfen, weil sie nicht mehr geheim sein werden.

Das Schulterklopfen lassen wir mal und warten die nächsten Jahre ab ...

Aktion Freiheit statt Angst dank allen beteiligten intensiven Lesern des 251 Seiten langen Koalitionsvertrags.

 


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Kommentar: RE: 20161119 Unsere Forderungen und der Berliner Koalitionsvertrag

zu 2) Nein, der 2. Satz ist Gedöns. Eine Absichtserklärung wäre es wenn man das Wort »will« durch «wird« ersetzen würde.

A.,  19.11.2016 18:09



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Erstellt: 2016-11-19 08:47:14
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