Kinderrechte und Bildungsgerechtigkeit
Am 23.11.2018 hat die Partei DIE LINKE zusammen mit der Rosa-Luxemburg Stiftung zu einer Konferenz, mit dem spannenden Titel "Ungleichland", ins Umweltforum geladen. Es kamen die verschiedensten Menschen zusammen um über das große Thema Menschenrechte sowie deren Einhaltung zu sprechen. Auf die verschiedenen Aspekte in diesem Zusammenhang, wie z.B. Frauenrechte oder auch Kinderarmut, wurde in kleineren Diskusionsrunden eingegangen.
Über die Diskussionsrunde "Kinderrechte und Bildungsgerechtigkeit" werde ich hier berichten und meine Eindrücke schildern.
Vorab möchte ich mich bei den beiden jungen Professoren Herr Dr. Klundt und Herr Dr. Helbig bedanken. Es war schön zu sehen, wie aufgeschlossen und klar über die gegenwärtige Lage unseres Bildungssystems bzw. dessen Gerechtigkeit geredet wurde. Würde man bei den "Entscheidungsträgern" dieses geballte, durch Studien fundierte, Wissen über die Zustände zur Kenntnis nehmen, dann hätten wir eine deutlich höhere Chancengleichheit. Ich habe in akademischen Einrichtungen nicht allzu viele Menschen von diesem Format kennenlernen dürfen, schon gar nicht mit einer Professur.
Von "Humankapitalschwäche" und "Bildungsrendite"
Herr Dr. Klundt ist momentan Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften und hat schon etliche Publikationen zum Thema Kinderarmut und soziale Gerechtigkeit verfasst. Eine sehr aktuelle und beachtenswerte Studien von Mai 2017 trägt den passenden Namen "Kinderarmut und Reichtum in Deutschland".
Er verwies zunächst auf die Begrifflichkeiten, welche in der Europäischen Union vorherrschen. Hier wird von "Humankapitalschwäche" und "Bildungsrenditen" gesprochen. Man findet, wie beim dem Begriff der Nachhaltigkeit, Instrumentalisierungen an jeder Ecke und ganz nebenbei gerät die sogenannte "soziale Mobilität" ins stocken. Diesbezüglich hat die berühmt berüchtigte OECD eine Studie vorgelegt, aus der hervorgeht, dass man rund 150 Jahre bräuchte um einen Aufstieg vom Existenzminimum (Hartz4) bis zur Mittelschicht zu erreichen. Wie bei einer solchen, zugegeben sehr abstrakten, Herangehensweise die Berechnungsgrundlage aussieht, war selbst dem Herr Prof. Dr. Klundt nicht ausreichend plausibel. Doch sogar diese UN-Organisation fordert schon seit Langem die Entlastung der Gering- und Durchschnittsverdiener, insbesondere in Deutschland.
Um effektiv die Bildungsarmut zu bekämpfen forderte Herr Prof. Dr. Klundt zudem: "das Bulimie-Lernen zu bekämpfen, keine Erzeugung von sogenannten Burn-out Kids und die verheerenden PISA-Auswirkungen einzudämmen". Das Thema PISA-Studien, welche übrigens auch von der OECD durchgeführt werden, wird uns sicherlich noch in Zukunft beschäftigen. Die weitreichenden Konsequenzen dieses "Leistungswahns" und der Druck, der für alle Beteiligten (Schüler und Lehrer, Schuldirektoren, Beamte u.s.w) dabei entsteht, sind bisher nur rudimentär abschätzbar.
HARTZ IV, "lernmittelbefreite Kinder" und der Nachhilfemarkt
Im Anschluss wurde Herr Prof. Dr. Marcel Helbig von der Universität Erfurt vorgestellt. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bildung und Ausbildung, Bildungssoziologie, Soziale Ungleichheit, Geschlechterungleichheit, Schulsysteme und deutsche Schulpolitik.
Er begann mit einer Erläuterung zu dem Begriff der "lernmittelbefreiten Kinder", welche so bezeichnet werden, wenn die Eltern nicht in der Lage sind für die Kosten der Lehrbücher und weiteren Unterrichtsmaterialien aufzukommen. In ungefähr 12% aller Grundschulen in Berlin kommt es dazu, natürlich vorwieged in sogenannten "Hartz4 Vierteln". Berlin Marzahn-Hellersdorf wäre beispielsweise so ein Bezirk, in welchem die Kinder auch von einem hohen Maß an Sprachdefiziten gekennzeichnet sind. Von einem Migrationshintergrund oder anderen nachvollziehbaren sprachlichen Hürden ist hier zumeist nicht auszugehen. Es liegt schlicht und allein an der sozial-räumlichen Segregation, sprich der Abgrenzung der "Wohlhabenden" von den "Armen". Diese Ausgenzung wird in Akademiker-Städten, also Städten mit einer höheren Bildungseinrichtung (Universiät oder Hochschule), noch deutlicher. Hier sind auch umso mehr private Grundschulen etabliert, welche schonmal eine Schulgebühr von bis zu 30.000 im Jahr fordern.
Herr Prof. Dr. Helbig sieht unser Bildungssystem als das "zentrale Allokationsinstrument" unserer Gesellschaft und somit die herrschende Ungleichheit durch das Bildungssystem organisiert. Ein weiteres Symptom hiervon ist ein, in den letzten Jahren gewaltig angewachsener, Nachhilfemarkt mit einem Umsatz von mehr als 1 Mrd. Euro und das insbesondere die sogenannten "Brennpunkt-Schulen" mit den wenigsten Mitteln ausgestattet sind. Wir unterscheiden nicht mehr in Adel und Pöbel sonder je nach vorliegenden Bildungszertifikaten. Dabei sieht unser Grundgesetz in Artikel 7 Absatz 4 genau vor, dass eine private Schule für bestimmte Schichten unzulässig ist.
Die neuste Studie an der Herr Prof. Dr. Helbig mitgewirkt hat und welche wahrscheinlich demnächst veröffentlicht wird, trägt den Titel "Bildungsqualität in Berlin". Eine der Erkenntnisse hieraus ist, dass es gerade an den "Brennpunkt-Schulen" außerordentlich viele sogenannte "Quereinsteiger", meistens ohne pädagogische Qualifikation gibt und diese an einigen Schulen sogar 20% der Lehrkräfte ausmachen. Diese Studie wurde erstaunlicherweise von einer der einflussreichsten, neoliberalen Denkfarbiken im Land gefördert, der Bertelsmann Stiftung. Einen Denkanstoß hierzu möchte ich noch geben. Wenn man weiß, dass genau diese Stiftung mit einer Mehrheitsbeteiligung, sprich mindestens 75%, an dem großen gleichnamigen Konzern beteiligt ist und das dieser für einen großen Teil der Lehrbücher weltweit verantwortlich ist. Dann wird einem auch klar, warum ungefähr 70 verschiedene Lehrbücher, nur für das Fach Chemie, in unserem Land kursieren. Vielleicht hat sich gezeigt, dass die Einflussnahme über Schulmedien effektiver ist als über Fernsehsender wie RTL und VOX.
Es ist natürlich normal und auch gut so, dass Eltern Lobbyarbeit für ihre Kinder machen wollen. Sie sind immerhin unsere Zukunft und bieten gleichzeitig auch die Möglichkeit eine gerechtere Welt zu gestalten. Es sollte dabei nur nicht vergessen werden, dass der monetäre Reichtum der Wenigen auch mit einer sozialen Verantwortung einherkommt. Die wahren sozial schwachen Menschen sind nämlich die, die sich auf Kosten anderer bereichern. Sei es nun auf Kosten der Natur oder jeglicher anderer Ressourcen.
Willy Weide für Aktion Freiheit statt Angst
Ein Bericht aus der Gruppe mit dem ebenfalls wichtigen Thema "Bericht der UNO zu Verletzungen der sozialen Menschenrechten" gibt es auch auf unseren Seiten.
Mehr dazu bei https://linksfraktion.de
und https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6696-20181120-aufstehen-fuer-soziale-gerechtigkeit.htm
und https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6685-20181109-aufstehen-fuer-eine-neue-soziale-demokratie.htm
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Erstellt: 2018-12-10 17:15:50 Aufrufe: 1429
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