Kampf gegen Nationalismus und Rassismus – demokratische Milieus stärken
Beginn: Sa, 04. Feb 11:00 CET 2017Ende: Sa, 04. Feb 17:00 CET 2017
Ort: Berlin-Friedrichshain, Havemannsaal, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, 10405 Am Friedrichshain
Geodaten: (N52.5288),(E13.4248)
Kartenausschnitt anzeigen:
Kontakt: http://www.grundrechtekomitee.de/node/821
Tags: Grundrechte, Asyl, Flucht, Neo-Nazis, NSU, Faschisten, Rassissmus, Gewerkschaft, Mitbestimmung,
Podiumsdiskussion zu Handlungsansätzen, Strategien und Wegen
Vorträge und Diskussion von und mit:
Robert Misik (Journalist & Sachbuchautor):
Neue antihierarchische Bewegungen, neu-alter Nationalismus und Rassismus und
zugleich die traditionellen Parteien mit ihrem neoliberalen Kurs der
Spaltung – ein Blick auf die gegenwärtige politische Lage
Heike Kleffner (Journalistin und Rechtsextremismusexpertin):
Strategien rassistischer und nationalistisch-völkischer Massenbewegungen
Ratschlag:
Samstag, 4. Februar 2017, 11:00 - 17:00 Uhr
Berlin, Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Robert Havemann Saal
Wachsende demokratische Milieus und zugleich offen aggressiv-rassistische
und nationalistische Entwicklungen – Welche Handlungsmöglichkeiten haben
Bürgerrechtsorganisationen im Kampf um Demokratie und Menschenrechte?
Eine Welle von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus dominiert
die öffentliche Wahrnehmung und Auseinandersetzung. Von offen rassistischen
und völkisch-nationalistischen Reden ist längst auch zu entsprechenden Taten
übergegangen worden. Die AfD bekommt aus dem Stand hohe Zustimmung bis weit
in die Mitte der Gesellschaft, und die so genannte Mitte befeuert in ihrer
Reaktion die von der AfD vertretenen Positionen. Seit Oktober 2014
demonstriert Pegida mit Unterbrechungen in Dresden und holte zeitweise
erstaunlich viele Bürger*innen wöchentlich auf die Straße. Auch wenn in
anderen Städten entsprechende Organisationen nicht annähernd so erfolgreich
waren, die Zahl der Demonstrationen vom rechten Rand, von Nationalisten und
Islamfeinden, von Rassisten und Ausländerfeinden ist erheblich gestiegen.
Die Angriffe auf Wohnungen und Heime von Flüchtlingen, auf Flüchtlinge oder
ausländisch aussehende Menschen, aber auch auf Andersdenkende, auf Aktive in
linker Politik und in der Unterstützung von Migrant*innen hat enorm
zugenommen.
Die offizielle Politik hat schon längst ein Wettrennen darum begonnen, wer
am konsequentesten vermeintliche Sorgen „des Volkes“ ernst nimmt und
nationale Interessen verteidigt. Das reicht von der massiven Abwehr von
Migrant*innen und Flüchtlingen, ohne sich „von Kinderaugen erpressen“
(Alexander Gauland) zu lassen, über den Abbau von Freiheitsrechten im Namen
der Inneren Sicherheit bis hin zum Verständnis für nationalistisch-völkische
Drohungen gegenüber Geflüchteten. Dann werden – wie im Sommer 2016 in
Bautzen geschehen – schon sprachlich aus den Nationalisten, die
Minderjährige Geflüchtete bedrohten, schlicht „Einheimische“.
Seit einigen Jahren suchen die Vertreter*innen nationalistischer und
rassistischer Ideen in ihrem auf Breite angelegten Straßenprotest,
Strategien linken Protestes zu übernehmen. Sie reden von Zivilem Ungehorsam
und Widerstandsrecht, sie reklamieren die Meinungsfreiheit für ihre
rassistischen Aussagen.
Ihre Aktivitäten werden fast immer und an den meisten Orten von (mehr oder
weniger größeren) Gegendemonstrationen begleitet. Wie notwendig die
Gegenproteste sind, hatte die anfängliche Ignoranz gegenüber NPD und
Kameradschaften angesichts des „Gedenkens“ der Bombardierung Dresdens
gezeigt. Erst die Proteste von „Dresden-nazifrei“ hatten ein breites Bündnis
gegen NPD und Kameradschaften in Dresden möglich gemacht.
Seit „Pegida“ hat sich die Atmosphäre in Dresden allerdings wieder völlig
verändert. Immer wieder wird von den begleitenden Journalist*innen
beobachtet, dass vor allem die vielfältigen Gegenproteste von Polizeigewalt
betroffen sind. Zugleich werden sowohl die Demonstrierenden als auch die
Journalist*innen von der Polizei nicht vor der Gewalt der radikalen
Nationalisten und Rassisten geschützt.
In vielen europäischen Staaten sind solche Entwicklungen ebenfalls zu
beobachten: die Straßen- und Demonstrationspräsenz der extremen Rechten
findet ihre Resonanz in einer zunehmenden Bereitschaft oder gar
Selbstverständlichkeit von Alltagsrassismus. Die Zahl xenophober und
islamfeindlicher Angriffe steigt massiv.
Dennoch, es gibt auch andere Entwicklungen: In Frankreich entstand selbst
nach zwei Terroranschlägen und der Verhängung des Ausnahmezustands die
Bewegung „Nuit Debout“ und dominierte die öffentlichen Plätze. Die
Bewohner*innen der Banlieus konnte diese Bewegung allerdings nicht
erreichen. In Griechenland gibt es trotz massiver Verarmung und der
Erpressungen durch die EU eine breit getragene Solidaritätsbewegung mit
Geflüchteten. Die „Goldene Morgenröte“ konnte bisher keine neuen Erfolge
erringen. In Spanien setzen sich insbesondere die von Podemos-Bündnissen
regierten Städte (wie Barcelona, Madrid und andere) gegen den Zentralstaat
für die Aufnahme von Geflüchteten ein. Sadiq Khan ist zum ersten
muslimischen Bürgermeister in London gewählt worden. Und in Italien
protestieren soziale Bewegungen gegen den „Mauerbau“ an der Grenze zu
Österreich, unterstützen Geflüchtete auf Sizilien oder an der französischen
Grenze.
Auch für Deutschland sind diese Dynamiken und solidarischen Praxen zu
beschreiben. Das Ausmaß der Unterstützung von Flüchtlingen ist nach wie vor
groß. Die Bereitschaft, den Menschen zu helfen, der solidarische Protest mit
denen, die nach Deutschland geflohen sind, ja selbst die Bereitschaft,
Menschen bei der Flucht zu unterstützen, sind beachtlich. Dieser von
Ehrenamtlichen getragenen „Willkommenskultur“ wird von der offiziellen
Politik widersprüchlich begegnet. Einerseits schmückt sich offizielle
Politik mit der Hilfsbereitschaft „der Deutschen“, lobt diese in Preisreden
und instrumentalisiert so deren Arbeit für eigene Zwecke. Zugleich aber
steht diese Fluchthilfearbeit, spätestens dann, wenn sie sich politisch
wendet, sofort unter dem Verdacht des Verfassungsschutzes, wie die Broschüre
„Wie erkenne ich extremistische und geheimdienstliche Aktivitäten? Eine
Handreichung für Flüchtlingshelferinnen und –helfer“ deutlich macht.
Tatsächlich betreiben dieselben Politiker im Alltag eine
Abschottungspolitik, die der Willkommenskultur Hohn spricht und mit der die
Menschenrechte über Bord geworfen werden.
Wie sind diese politischen Entwicklungen zu verstehen, welche Rolle spielen
die Medien mit ihren Berichten über AfD, …gida-Demonstrationen und
Gegendemonstrationen? Wie kann linke Politik agieren, um Menschenrechte und
Demokratie wieder ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung zu stellen?
Programm
11:00 – 11:15 Begrüßung
11:15 – 13:00 Neue antihierarchische Bewegungen, neu-alter Nationalismus und
Rassismus und zugleich die traditionellen Parteien mit ihrem neoliberalen
Kurs der Spaltung – ein Blick auf die gegenwärtige politische Lage
Robert Misik
13:00 – 14:00 Mittagspause
14:00 – 15:15 Strategien rassistischer und nationalistisch-völkischer
Massenbewegungen – wie erobern sie Straße, Medien und (vermeintlich) die
Mitte der Gesellschaft? (Schwerpunkt auf der Eroberung der Straße)
Heike Kleffner
15:15 – 17:00 (mit Nachmittagspause)
Podiumsdiskussion: Handlungsansätze im Kampf gegen Nationalisten und
Rassisten und zur Stärkung der demokratischen Milieus
u. a. mit: Dresden nazifrei (Erfahrungen aus der Organisation von
Gegendemonstrationen) und
Grit Hanneforth (Mobile Beratung; Kulturbüro Sachsen)
Einerseits ist selbstverständlich ein Kampf gegen die Ausweitung der
rassistischen, ethnozentrischen, nationalistischen Bewegungen notwendig.
Ihnen muss öffentlichkeitswirksam widersprochen werden. Zugleich ist die
Unterstützung derjenigen zwingend, die von deren Gewalt und
Gewaltandrohungen betroffen sind. Zugleich aber ist nicht zu übersehen, dass
die Nationalisten und Rassisten mit ihrer Propaganda den politischen Diskurs
der großen Parteien beeinflussen. Angst vor Überfremdung, Vorbehalte gegen
den muslimischen Glauben, der Sicherheitsdiskurs bestimmen längst die
alltägliche Politik. Der Protest dagegen ist mindestens genauso wichtig.
Bitte anmelden: Geschäftsstelle des Komitee für Grundrechte und Demokratie
Zurück zur Terminliste
Kommentar abgeben