Berlin: Konferenz Überwachung und Kontrolle
Beginn: Fr 18. Sep 14:00:00 CEST 2009Ende: So 20. Sep 14:00:00 CEST 2009
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Überwachung und Kontrolle
Möglichkeiten und Grenzen einer Begrifflichkeit, Praxen der Analyse
Konferenz
Überwachung’ und ‚Kontrolle’ – Möglichkeiten und Grenzen einer Begrifflichkeit, Praxen der Analyse
18.09. 15.00 bis 20.09. 13.30 Helle Panke, Kopenhagener Straße 9, Leitung Falko Schmieder, Matthias Rothe
Die Begriffe ‚Überwachung’ und ‚Kontrolle’ stehen hoch im Kurs, wenn es darum geht, unsere Gegenwart zu diagnostizieren. Die damit ins Spiel gebrachten Beschreibungen sind nie harmlos. Sie liefern Orientierungen für eine politische Praxis: Gegner und Probleme werden identifiziert, Zielvorgaben gemacht und Handlungen vorgeschlagen. Umso dringender ist die Frage danach, ob sie überhaupt zu einer kritischen Analyse taugen und dem, ‚was vor sich geht’, angemessen sind. Die Tagung diskutiert gängige Theorien und konkrete Szenarien der Überwachung und Kontrolle wie etwa die europäische Grenzsicherung, das Quartiersmanagement oder die Vergabepraxis von Sozialleistungen und sucht zugleich die verwendeten Modelle und Begriffe kritisch zu reflektieren.
Für jeden Vortrag ist eine halbe Stunde vorgesehen, gefolgt von 15 Minuten Diskussion der ReferentInnen untereinander. Danach wird die Diskussion für weitere 15 Minuten für das Publikum geöffnet.
Themen und ReferentInnen
Freitag, 18.09.2009
15.00 Einleitung (Falko Schmieder/Matthias Rothe)
Panel 1 Sicherheitspolitiken
15.15 – 16. 15 Lars Ostermeier (Wien): Neue städtische Sicherheitspolitik am Beispiel von Hamburg und München
Ausgehend von der These, dass Polizeipolitik und -arbeit in Hamburg und München besser als Kontrolle statt als Überwachung beschrieben werden kann, wird die Einbettung diskursiver und die nicht-diskursiver Kontrollpraktiken in lokale Kontexte rekonstruiert. Dabei geht es um die Reform der Polizei, die Veränderung von Polizei- und Ordnungsrecht und um innere Sicherheitspolitik in den Städten. Am Überwachungsbegriff wird kritisiert, dass er eine gewisse Totalität der Praxen impliziert, die sich empirisch kaum nachweisen lässt. Kontrolle - oder vielleicht noch besser Monitoring - sind Begriffe, die die Selektivität, Kontingenz und Inkohärenz von staatlichem Handeln angemessener beschreiben können
16.15 – 17.15 Katrin de Boer (Frankfurt/Oder): Die Rolle des Expertenwissens im europäischen Grenzregime, der Fall Frontex
Ich möchte in meinem Vortrag die Funktion von Risikoanalysen in Bezug auf Migrationsprozesse diskutieren. Meine Arbeitsthese lautet, dass der Bereich der Migration nicht zuletzt durch dieses Instrument zu einem Sicherheitsthema gemacht und der öffentlichen Kontrolle entzogen wird. Die Kritik am europäischen Grenzregime rund um Frontex muss sich auf diese Lage einstellen. Das ist bisher nicht geschehen, wie sich an einigen aktuellen Debatten zeigen lässt.
Pause
17.45 – 18.45 Vassilis Tsianos/Serhat Karakayali (Frankfurt/Main): Digitale Grenztechnologien und mediale Agency
Wir möchten den Einsatz von digitalen Grenztechnologien in der Rekonstitution des europäischen Grenzregimes untersuchen, um neuartige postnationale und zugleich deterritorialisierte Konturen einer digitalisierten Form der Grenze erfassen zu können. Dabei interessiert uns insbesondere die Funktionsweise digitaler Grenztechnologien für einen Wissenskomplex, welcher der Kontrolle der Mobilität in Europa dient. Wir verstehen die Analyse von grenztechnologischen Praktiken als einen Beitrag zur Machtanalytik der Gegenwart. Vor allem geht es um die Frage, inwiefern digital basierte Informationstechnologien Bestandteil einer Neukonstituierung von Souveränität sind. Jenseits also einer technizistischen Hermeneutik und einer daraus folgend befürchteten Renaissance eines digitalen Panoptismus, stellt sich die medientheoretische und machtanalytische Frage nach der Latenz mediatisierter Kommunikationskulturen, nach Politiken der Sichtbarkeit und veränderten Formen der Souveränität.
ca. 19.00 Gemeinsames Abendessen
Sonnabend, 19.09. 2009
Panel 2: Selbstregierungen und Fremdzwänge
10.00 – 11-00 Volker Eick (Berlin): Hartz IV kommt jetzt in ›Uniform‹ Zur Vermengung von Workfare, Arbeitsmarkt- und Sicherheitspolitik
Hartz IV ist zuförderst der Abschied vom Regulierungsmodell ›Versicherung‹. Es dient sodann der Durchsetzung von Niedriglöhnen (Enttarifierung), von Workfare (›Fördern und Fordern‹) und dem Ersatz von (zunächst) kommunalen Arbeitsplätzen durch Arbeitgelegenheiten nach SGB II § 16, Abs. 3. Weiter geht es in einer neoliberalen Wende in der Arbeitsmarktpolitik um die Disziplinierung und Mobilisierung des ›Prekariats‹.
Wer in diesem neuen System nicht verwertbar ist oder sich der Simulation von Erwerbsarbeit verweigert, für den gilt, was Klaus Ronneberger 2007 über nicht verwertbare Langzeiterwerbslose so formulierte: »Der ›Unwürdige‹ erweist sich ökonomisch als ›Investitionsruine‹, sozial als ›Parasit‹.«
Ein solches Modell hat mindestens drei Implikationen mit Blick auf Überwachung und Kontrolle:
Erstens geht es darum, Workfare auch durchzusetzen bzw. bei Nichtpartizipation abzustrafen – nicht nur den Verwaltungen der ARGEn, auch freien Beschäftigungsträgern kommen hier Überwachungs- und Kontrollaufgaben zu. Zweitens kommt es zur Neusortierung der Bevölkerung im urbanen Raum durch Abschaffung der Freizügigkeit für Langzeiterwerbslose (Hartz IV & Wohnen) – hier zeichnet sich absehbar ein Arbeitsfeld für Polizei und kommerzielle Sicherheitsdienste durch die so entstehenden ›neuen‹ Armutsquartiere ab.
Drittens, und als vergleichsweise neue Erscheinung, gehen relevante Teile von so genannten SOS-Maßnahmen (Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit) in die Kontrolle von freien Trägern über, die solche Maßnahmen entwickeln, planen und durch Langzeiterwerbslose umsetzen lassen.
Es mag sich »Unbehagen« einschleichen angesichts solcher Entwicklungen, sicher aber nicht mit Blick auf die Adäquatheit der Begrifflichkeiten ›Überwachung‹ und ›Kontrolle‹ für das Hartz IV-Regime.
11.00 – 12.00 Christoph Engemann (Berlin): In Form - Gouvernemedialität des E-health in Deutschland
Gouvernemedialität untersucht die Wechselwirkungen zwischen Medien und Weisen der Führung und Selbstführungen. Deutschland befindet sich vor einem fundamentalen Medienwandel seiner Gesundheitsversorgung. Mit der Einführung der Gesundheitskarte geht die Gesundheitsfürsorge von einer papierbasierte zu einer digitalen Verwaltung über. Das System der Gesundheitskarte stellt
wesentlich darauf ab, die Führung der medizinischen Akte von den Ärzten auf die Patienten zu verlagern. Der Bürger bekommt seine eigenen medizinischen Daten in seine Obhut, was auch schreibrechte umfasst.
Als Teil dieser Schreibrechte können Daten aus Fitnesstudios oder Ernährungsdaten aus Kantinen in Echtzeit in die Gesundheitsakte übertragen und so die Gesundheitsperformanzen von Individuen für sich und andere abbildbar gemacht werden.
Diese Leistungen sind freiwillig und bislang sind keine Initiativen zu erkennen, sie obligatorisch zu machen. Dennoch sind solche Formate der digitalen Selbstdokumentation eine fundamentale Figur der Gouvernemedialität der Gegenwart, die im Beitrag anhand von Beispielen zu den Körperfettpolitiken der Krankenkassen untersucht werden.
Pause
14. 00 – 15.00 Stephan Lanz (Frankfurt/Oder): Quartiersmanagement als Empowerment?
Die regierungsprogrammatische Konzeption des Quartiersmanagements zielt mithilfe einer Strategie des Empowerments darauf, Bewohner benachteiligter Stadtteils zu aktivieren und sie in die Lage zu versetzen, sich und ihren Stadtteil selbstverantwortlich, d.h. ohne staatliche Zuwendung zu regieren. Der Lokalstaat beauftragte hierfür privatwirtschaftlich agierende 'Quartiersmanager', um lokale Akteure zu vernetzen und Projekte zu entwickeln. Diese sollen den "Menschen im Quartier" dazu verhelfen, so das offizielle Regierungsdokument, "ihre Lebenssituation selbst zu verändern, ihre Möglichkeiten und Kompetenzen zu nutzen, um unabhängiger und selbständiger zu werden" (Senat 1999: 10). Aus der Perspektive staatlicher Apparate erzeugt dieses Sich-selbst-Regieren jedoch das Risiko, dass Werte und Normen zum Tragen kommen, die von der fortgeschritten liberalen politischen Rationalität abweichen. Dies gilt umso mehr, als der öffentliche Diskurs gerade in den betroffenen Stadtvierteln jene vorgeblichen "Parallelgesellschaften" nicht-integrierter Einwanderermilieus verortet, die sich von westlichen Werten der Stadtgemeinschaft abschotteten.
Damit die Freiheit des Sich-Selbst-Regierens nicht falsch angewandt wird, muss also Sicherheit neu reguliert werden: Es entstehen neue Instrumente und Subjekte des Regierens, die präventive Aufgaben erfüllen: dazu gehören Steuerungs- und Evaluationsgremien, in denen Vertreter von Senats- und Bezirksbehörden und anderer Organisationen wie Kirchen oder Sozialdienste sitzen. Neue Organe wie „Kulturmittler“, „Streitschlichter“ oder „Stadtteilmütter“ suchen als problematisch geltende Familien auf, schlichten bei Konflikten und werben für Toleranz bezüglich kulturellen Differenzen. Ferner gibt es als präventive Sicherheitsorgane etwa zivile Stadtteil-Patrouillen, die in Form von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen organisiert sind und teilweise eine Art Private Public Partnership mit der Polizei eingehen.
Die Ratio des Dispositivs der Sozialen Stadt basiert auf einer kommunitaristischen Konstruktion lokalräumlicher Nachbarschaften als Communities, deren Mitglieder solidarisch füreinander sorgen sollen. Tendenziell zielt dies auf das Verhalten ihrer Klientel – also der Armen – und basiert auf der Kategorie Moral: Subjekte, die sich dieser – an den klassischen Liberalismus erinnernden – armutspolitischen Konzeption verweigern, werden tendenziell als "unwürdige Arme" konstruiert und mit disziplinierenden Zwangsmaßnahmen überzogen.
15.00 – 16.00 Marco Tullney (Berlin): Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz
Seit dem Frühjahr 2008, als die Berichterstattung über die Bespitzelung von Lidl-Beschäftigten einsetzte, wird dem Thema „Überwachung von Beschäftigten“ wieder etwas mehr Aufmerksamkeit zuteil. Die Wahrnehmung ist jedoch sehr selektiv und konzentriert sich auf Fälle, in denen einzelnen ArbeitgeberInnen einzelne Akte der Überwachung vorgeworfen werden. Praktiken und Möglichkeiten umfassender Überwachung mit quasi-totalem Anspruch geraten etwas aus dem Blick, dabei haben sie durch die umfassende Computerisierung von Arbeitsplätzen deutlich an Bedeutung gewonnen. So wird am Ende mehr über einzelnes Fehlverhalten von Managern gesprochen als über allgemeine Überwachungsfolgen, die in engen Wechselwirkungen mit der Veränderung von Arbeitsverhältnissen und -bedingungen stehen.
Auf der anderen Seite spielt für die zur Zeit durchaus prominente Kritik an einem exzessiven Überwachungsanspruch des Staates, der sich u.a. in der zunehmenden Einschränkung bürgerlicher Freiheiten zeigt (Einschränkung von Zensurverbot, Informations- und Kommunikationsfreiheit, verdachtslose Rasterfahndung und
Massenüberwachung), der Bereicht Arbeitswelt kaum eine Rolle. Dabei bietet die Überwachung am Arbeitsplatz einige interessante Bezugspunkte, die im Vortrag thematisiert werden sollen. So zeigt sich deutlicher als in vielen anderen Bereichen das Verhältnis von Überwachung (im Sinne umfangreicher Datenerhebung und eines totalen Informationsanspruchs) und Kontrolle (im Sinne von Verhaltenssteuerung bzw. des Anspruchs darauf). Die Interessengegensätze und Machtkonstellationen, die Überwachung am Arbeitsplatz hervorbringen und formen und die wiederum durch eben jene Überwachung beeinflusst werden, sind deutlich aufzuzeigen. Dabei sind die verwendeten Techniken der Überwachung häufig beispielgebend für die spätere Ausdehnung auf gesamtgesellschaftliche Bereiche bzw. die Anwendung durch den Staat (z.B. elektronische Ausweise, Filterung von Kommunikation). Und schließlich kann am Beispiel der Überwachung am Arbeitsplatz gezeigt werden, wie sich Überwachung als Produkt des
Handelns aller Beteiligten ausgeformt und beständig rekonstruiert wird. Eine solche Analyse wird aber gerade nicht auf eine Betrachtung der Machtkonstellationen verzichten können: Dass alle irgendwie am Ergebnis beteiligt sind, heißt nicht, dass alle die gleichen Möglichkeiten zur Beeinflussung des Ergebnisses haben.
Die Analyse der Produktion und Wirkungen von Überwachung am Arbeitsplatz liefert dann auch Hinweise darauf, wie Möglichkeiten der Gegenwehr bzw. Intervention aussehen.
Pause
16.30 – 17.30 GASTVORTRAG in Englischer Sprache
Simone Brown (Austin, USA): The Corners’ and Piratical Warfare: Surveillance as Entertainment on HBO’s The Wire and the nightly news.
Much of the methods and theorizing that currently frame Surveillance Studies offer totalizing discussions of liberal governance and panoptic power, privileging heteronormative and highly racialized and gendered analyses, knowledges and gazes. In this paper, I turn to two texts: the cyberscam and the pirate as they figure in ‘reality’ television programming, HBO’s series The Wire and select cyberspaces, to intervene in the emerging writings on new technologies of surveillance with a critical theorizing on race and gender; and to offer an analytical break from which to question how security and the rhetoric of science are employed to rationalize the increasing digitization of the body and surveillance of certain spaces.
Ca. 19.00 Gemeinsames Abendessen
Sonntag, 20.09.
Panel 3: Begriffe, Modelle, Theorien der Überwachung und Kontrolle
9.30 – 10.30 Karsten Weber (Opole/Berlin): Person, Eigentum, Selbsteigentum: Von der Unverzichtbarkeit der liberalen und libertären politischen Philosophie für die Debatte um Privatsphäre und Öffentlichkeit
In vielen zeitgenössischen Strömungen der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist es üblich geworden, Konzepte wie Identität, Person, Ich und Ähnliches als im Kern veraltet anzusehen. Sie würden, so kann man eine grobe Zusammenfassung geben, auf Ideen der Unveränderbarkeit und Einzigartigkeit aufbauen, die empirisch so eben nicht gegeben sei. Es gäbe eben nicht die Identität einer Person, sondern wenn überhaupt viele unterschiedliche und auswechselbare Identitäten, kein klar definiertes Ich, sondern ein Patchwork aus Selbst- und Fremdzuschreibungen, sowie nicht einmal einen klar definierten Körper, da dieser im Zeitalter der beinahe unbeschränkten technischen Manipulierbarkeit selbst der gezielten Modifikation zugänglich sei – die alten Konzepte griffen also nicht mehr, weil es für sie kein empirisches Korrelat mehr gäbe. Michael Jackson, so könnte man fast schon zynisch hinzufügen, sei schließlich der nun nicht mehr lebende Beweis dafür, dass sich ein Mensch komplett selbst entwerfen könne und im Laufe seines Lebens und vielleicht sogar gleichzeitig ganz unterschiedliche Identitäten oder auch Personen sein könne.
Geht es nun um Überwachung und Kontrolle oder auch um den Unterschied zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, so sind die gerade skizzierten Ideen von erheblicher Relevanz. Die im geplanten Vortrag darzustellende und zu diskutierende These ist, dass es mit der Aufgabe von Konzepten wie Identität, Person und Ich sowie, daran anknüpfend, Eigentum und vor allem Selbsteigentum im Grunde unmöglich wird, gegen Überwachung und Kontrolle des eigenen Lebens zu argumentieren.
Denn was soll es sein, das eigene Leben, wenn man dabei nicht auf eine sich über die Zeit durchhaltende Identität rekurriert? Wenn nicht mehr von einer Person die Rede ist, die sich autonom Lebenspläne gibt und diese verfolgt? Wenn man die Person, ihren Körper und das Selbsteigentum daran als bloße soziale Konstruktion ansieht? Selbst im Rahmen einer (sozial-)konstruktivistischen Sicht auf gesellschaftliche Phänomene und einer relativistisch gestimmten Ethik benötigen wir einen (begrifflichen) Referenzrahmen, um normative Ansprüche überhaupt nur formulieren zu können – erst recht aber zu ihrer politischen Debatte und Durchsetzung.
Um gegen eine ubiquitäre Überwachung und Kontrolle argumentieren zu können, die im Übrigen ja beileibe nicht mehr nur durch den Staat, sondern durch Unternehmen und durch die Bürger selbst alltäglich vollzogen wird, benötigen wir einen Referenzrahmen zur Formulierung der normativen Ansprüche der einzelnen Person gegen die Zumutungen staatlicher Institutionen, Unternehmen, Gruppen, Subkulturen und wiederum auch anderen Personen. Dieser Referenzrahmen kann aus der liberalen bzw. libertären politischen Philosophie gewonnen werden. Der dort zur Verfügung gestellte Begriffs- und Theorieapparat macht die Rede von Bürgerrechten überhaupt erst möglich, bedingt aber auch, an Konzepten wie Person, Ich, Identität und (Selbst-)Eigentum festzuhalten. Die Konzepte der Person, des Eigentums und insbesondere des Selbsteigentums sind notwendige Bedingungen dafür, von Grenzen und Grenzverschiebungen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen zu sprechen, von der Gestaltbarkeit des Körpers und des Selbst, von Widerstand und Emanzipation.
Pause
10.45- 11.45 Dietmar Kammerer (Berlin): Softdrink besiegt Kameras: Die Ästhetik der Videoüberwachung in der Popkultur
Überwachung, insbesondere Videoüberwachung, wird regelmäßig in dualistischen Begriffen ("wir" gegen "die") diskutiert. Der Vortrag wird anhand ausgewählter Beispiele (Werbeclips, Musikvideos) über die Ästhetik und Rhetorik der Bilder der Überwachung in der Populärkultur sprechen. Aus der Analyse der Bilder werden Argumente für eine Kritik an der dualistischen Rede der Überwachung entwickelt; schließlich wird versucht, eine nicht-dualistische Theorie der Überwachung zu skizzieren.
Pause
12.00 – 13.00. Kendra Briken (Frankfurt/Main): Capital & Control – Ökonomien der Überwachung und Kontrolle
Weder finden Überwachung und Kontrolle ihren Ausdruck allein in datenbasierten Medien noch gehen ihre Maßnahmen allein vom Staat aus. Die gegenwärtige Konstellation, die als »surveillance assemblage« (Haggerty/Ericson) beschrieben werden kann, zeichnet sich vielmehr gerade dadurch aus, dass Überwachung und Kontrolle zumeist in Form unterschiedlicher Konzepte von ‚Sicherheit’ in heterogenen Technologie- und Akteurskonstellationen produziert und konsumiert werden. In meinem Beitrag werde ich Überwachung und Kontrolle im Zusammenhang mit dem Begriff der ‚Sicherheit’ diskutieren.
Ich folge dabei der Annahme, dass erstens ‚Überwachung und Kontrolle’ nahezu untrennbar verbunden mit ebenso vielfältigen Versprechen auf >SicherheitSicherheitöffentliches Gutvon Staats wegenSicherheit<, die vielfältigen Verflechtungen zwischen privaten und öffentlichen Akteuren wie damit verbundene Interessenkonstellationen wie -konflikte bleiben ausgeblendet.
Der Blick auf die Ökonomien von Überwachung und Kontrolle, d.h. auf die unterschiedlichen Modi der In-Wert-Setzung von Sicherheit hingegen ermöglicht es, die unterschiedlichen individuellen »Beobachtungsverhältnisse« in Verhältnis zu setzen zu Fragen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen ebenso wie zu den (daraus resultierenden) sozialen Ungleichheitslagen.
13.00 Abschlussdiskussion
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