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Innere Sicherheit & soziale Bewegungen
war der Titel der Konferenz zum 40. Jahrestag der Zeitschrift "Bürgerrechte & Polizei / CILIP" in der Humboldt Universität in Berlin. Aktive von Aktion Freiheit statt Angst waren an beiden Tagen dabei und haben einige Vorträge und Diskussionen miterleben können.
Alle Themen drehten sich um den verhängnisvollen Ansatz des Staats, dass "Sicherheit" nur durch immer neue "Sicherheitsgesetze" zu erhalten wäre, ohne dass man sich nach deren Einführung mal um ihre Wirkungen und angeblichen "Erfolge" kümmern müsste. Alle in diese Gesetze auf Drängen von Bürgerrechtlern hinein geschriebenen späteren Evaluierungen wurden von Nachfolgeregierungen übergangen oder marginalisiert.
Das einzige formal zurückgezogene Gesetz bleibt Ursula von der Leyen's Zugangserschwerungsgesetz , die Vorratsdatenspeicherung von 2016, VDS 2.0,gilt als Gesetz, wurde aber von der Bundesnetzagentur "ausgesetzt" (Bundesnetzagentur "verzichtet" auf Vorratsdatenspeicherung).
Die Themen auf dem CILIP Kongress waren:
Freitag, 7. Dezember
19:00 Uhr Keynote-Vorträge (Hörsaal 2097)
Begrüßung und Eröffnung durch das Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit und die Redaktion der CILIP
Einführung, Moderation: Heiner Busch
Keynote I: „Polizei und Bürgerrechte in Zeiten der Sicherheit“
Tobias Singelnstein (Ruhr-Universität Bochum)
Keynote II: „Bürgerrechte in Bewegung: Die Demokratie auf der Straße verteidigen“
Elke Steven (Digitale Gesellschaft e.V.)
Samstag, 8. Dezember
10:00 – 12:00 Uhr 1. Panelphase
Politische Ökonomie der Sicherheit
Helga Cremer-Schäfer, Goethe-Universität Frankfurt
Volker Eick, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Moderation: Dirk Burczyk, CILIP
Politische Bewegung unter Druck
Angela Furmaniak, Rechtsanwältin
Vertreterin der Hamburger G20-Soligruppe United We Stand
Moderation: Lukas Theune, Rechtsanwalt
Das Europäische Grenzregime - Widerstand gegen diese Festung Europa
Britta Rabe, Watch the Med Alarmphone/ Komitee für Grundrechte und Demokratie
Carsten Gericke, Rechtsanwalt, European Center for Constitutional and Human Rights
Moderation: Matthias Monroy, CILIP
Die Inszenierung des Ausnahmezustands in Hamburg
Peter Ullrich, Technische Universität Berlin
Gruppe „Andere Zustände Ermöglichen“ (AZE)
Marco Heinig, Leftvision
Moderation: Elsa Koester, Journalistin
Polizieren der Armen
Norbert Pütter, CILIP
Lisa Riedner, Georg-August-Universität Göttingen
Moderation: Jenny Künkel, CILIP
Ausnahmezustände und drohende Gefahren (14-15.30 Uhr!)
Fabien Jobard, Centre national de la recherche scientifique
Heiner Busch, CILIP
Moderation: Louisa Zech, Ruhr-Universität Bochum
Racial profiling und institutioneller Rassismus
Ayşe Güleç, Pädagogin und aktivistische Forscherin, (entschuldigt)
NN. Initiative 6. April, Tribunal NSU-Komplex auflösen
Bafta Sarbo, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund)
Moderation: Charlie Kaufhold, Autor*in, promoviert zum NSU
Kontrolle der Polizei
Anna Luczak, Rechtsanwältin
Philipp Krüger, Sprecher der Themenkoordinationsgruppe Polizei & Menschenrechte bei Amnesty International
Moderation: Dirk Burczyk, CILIP
16-18 Uhr 3. Panelphase
NSU-Komplex: Kein Ende der Aufklärung!
Antonia von der Behrens, Rechtsanwältin
Martin Steinhagen, Journalist
Katharina König-Preuss, MdL Thüringen
Moderation: Heike Kleffner, Journalistin
Kämpfe um das Versammlungsrecht
Corinna Genschel, Grundrechtekomitee
Interventionistische Linke
Moderation: Michael Plöse, Humboldt-Universität Berlin
Wissen über die Polizei
Stephanie Schmidt, Polizeiforscherin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
Moderation: Benjamin Derin, CILIP
Digitale Überwachung
Anna Biselli, Journalistin
André Meister, Netzpolitik.org
Moderation: Matthias Monroy, CILIP
19:00 – 21:00 Uhr: Abschlussdiskussion zu Protest & Sozialen Bewegungen (Hörsaal 2097)
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Republikanischer Anwältinnen – und Anwälteverein e.V.
Frederick Heussner, Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz
Andreas Blechschmidt, Aktivist aus Hamburg
Moderation: Friederike Wegner, CILIP
Wir sind noch dabei unsere Erfahrungen zusammenzutragen und werden demnächst hier über einige Veranstaltungen berichten.
1. Die Inszenierung des Ausnahmezustands in Hamburg
Augenzeugen bei den G20 Protesten konnten feststellen: Was sich schon im Vorfeld abzeichnete, als beispielsweise genehmigte Camps polizeilich geräumt wurden, tauchte in der Rhetorik medialer und polizeilicher Berichterstattung wieder auf: Wir haben es hier mit einem Ausnahmezustand zu tun. So begleiteten Rechtsbeugung, Grundrechtsverletzungen und dreiste Lügen von staatlicher Seite das Gipfelgeschehen und dessen Nachspiel. Dagegen stand von den Protestierenden eine andere Erzählung von Solidarität und Wut, die mit journalistischen, wissenschaftlichen und politisch-praktischen Mitteln geschrieben wird.
Die Hamburger Polizeiführung ist seit Jahren dafür bekannt, dass sie bei der Durchsetzung von ihrem Verständnis von "Recht und Ordnung" nicht zimperlich ist. In den G20-Gipfel ging sie mit dem Anspruch darauf jeden Rechtsverstoß mit "aller Vollständigkeit" zu verhindern. Da dieser Anspruch auch vorher in aller Breite zu den Medien kommuniziert wurde, musste sie bei der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Proteste scheitern.
Auch die technische Aufrüstung mit panzerähnlichen Fahrzeugen auf der einen und technischen Überwachungsmitteln auf der anderen Seite war für sie nicht ohne Komplikationen. So mussten vielfach für die Auffahrt der Panzer erst einmal mit viel Aufwand und Zeit die betroffenen Straßen von parkenden Autos befreit werden.
In jedem Fall war der Polizeieinsatz das Gegenteil dessen, was das BVerfG in seinem Urteil zu den Brokdorf Demos festgelegt hatte:
- ein Polizeieinsatz soll verhältnismäßig sein
- die Polizei soll versammlungsfreundlich agieren.
Während mit einigen Anmeldern die Kooperationsgespräche ohne oder mit wenigen Problemen liefen, wurden sie anderren einfach verweigert. Erst durch Intervention aus der Politik wurde die Polizeiführung zu den notwendigen Gesprächen gezwungen. Eine Unterteilung von Demo-Anmeldern in "Gute" und "Böse" im Vorfeld steht der Polizei in keinem Fall zu.
Die G20-Demos wirken in ihrer Einschüchterung und im Öffnen von Schranken bis heute fort. Die Änderungen der Polizeigesetze in den einzelnen Bundesländern und das vermehrte Auftreten von "Robocops" und SEK's auch bei kleinen Demos sind die sichtbare Folge.
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2. Racial profiling und institutioneller Rassismus
Vor allem schwarze Menschen aber auch Menschen aus anderen Erdteilen erleben in Deutschland oft Rassismus, teilweise "zwischen den Zeilen" aber auch oft direkt und verletzend. So ist Rassismus auch zentral für die Entscheidung, bei wem die Polizei sogenannte verdachtsunabhängigen Personenkontrollen durchführt.
Außerhalb der Gebiete ("kriminalitätsbelasteter Orte") dürfen keine verdachtsunabhängigen Personenkontrollen durchführt werden. Das bedeutet, dass die Polizei nicht einfach nach dem Ausweis fragen darf. Nach §22 Bundespolizeigesetz muss dafür ein ausreichender Verdacht vorliegen. Also erst nach einem Gespräch oder einem "Vorfall" darf die Polizei den Ausweis verlangen.
Auch bei Abschiebungen erleben die Menschen ständig rassistische Entwürdigung. So sind mindesten 50% der Inhaftierungen von "Abzuschiebenden" unzulässig, weil sich bei Klagen gegen die Abschiebungen in 50% der Fäller herausstellt, dass die Abschiebung nicht rechtens ist. Eine Entschädigung für diese Mißachtung ihrer Menschenrechte erfolgt genauso wenig wie bei der Anordnung von Residenzpflicht.
Opfer von Racial Profiling sollte sich in jedem Fall die Nummer des Polizisten geben lassen, Zeugen suchen und ein Gedächtnisprotokoll des Vorfall anfertigen.
Rassismus war auch bei den polizeilichen Ermittlungen im NSU-Komplex von zentraler Bedeutung. Obwohl die Überlebenden des NSU die rassistischen Hintergründe der Taten unmittelbar richtig analysierten, schlossen die Polizeien ein rechtes Tatmotiv fast durchgängig aus. Damit erlebten die Angehörigen nach dem wirklichen Anschlag einen Zweiten, den auf ihre Menschenwürde. Dieser wurde verstärkt durch die jahrelange Verweigerung von Hilfen oder Entschädigung.
Zum dritten Mal wurde die Angehörigen getroffen von den "Ergebnissen" der Ermittlungen und Prozesse. Eine vollständige Aufklärung war nicht gewollt und wurde massiv hintertrieben. Viele V-Leute brauchten nicht auszusagen oder ihre Aussagen wurde wie die Akten um wesentliche Teile zensiert.
So wurden in dieser Diskussion genau diese beiden völlig verschiedenen Ebenen, einmal die staatlich verordnete und zum anderen die dumpf faschistische, untersucht und versucht ihre historische Herkunft bei den Handelnden zu entlarven.
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3. NSU-Komplex: Kein Ende der Aufklärung!
Tausende Zeitungsartikel, Dutzende Filme und Bücher sind seit 2011 über den NSU erschienen. Es gab Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in mehreren Bundesländern und es gab den NSU Prozess im wesentlichen gegen Beate Schäpe, alle Mitangeklagten kamen "unerklärlicherweise" mit einem blauen Auge davon. Die Aufklärung blieb auf der Strecke. Zum Glück hat die Zivilgesellschaft selbst Tribunale veranstaltet und Zeugen gehört und vor allem den Familienangehörigen der Opfer zugehört. Diese wurden über Jahre von Polizei und Gerichten wie Mittäter behandelt, besonders dann, wenn sie schon in den ersten Ermittlungen auf die wahren Täter hinwiesen. Rassistische Taten wurden von den Ermittlungsbehörden über Jahre ausgeschlossen.
Auch hier zeigte sich eine rassistische Haltung, sogar in einem Treffen der obersten Ebene der Ermittlergruppe "Bosporus": Als bei einem Treffen ein Teilnehmer meinte, es "käme doch auch ein deutscher Türkenhasser" als Täter in Frage, da kam es auch auf dieser hohen Ebene zu gegenseitigem Anschreien, wie ein Protokoll im Untersuchungsausschuss belegte.
Mit dem Abschluss des Prozesses gegen Beate Schäpe ist die Aufklärung der NSU Verbrechen nicht beendet. In den Gängen der Humboldt Universität war eine Ausstellung "Das NSU-Netzwerk Staat und Nazis Hand in Hand – Fakten und Hintergründe" vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Nürnberg zu sehen. Hier eine Begleitbroschüre zu dieser Ausstellung. Die Tafeln zeigen die "Produktion" der rechten Gruppen durch den Aufbau und die Finanzierung von V-Leuten über deren Taten und die vielen "Ungereimheiten", wie z.B. das massenhafte Wegsterben von Zeugen.
Auch Aktion Freiheit statt Angst hat in den letzten 7 Jahren recht oft über die Merkwürdigkeiten im Umfeld der NSU-Aufklärung berichtet:
- Schredder-Auftrag kam aus Innenministerium und NSU-Akten geschreddert
- NSU Waffenlieferant war V-Mann: Paralleluniversum oder Methode?
- BKA hielt NSU-Adressliste geheim
- NSU-Ermittler von V-Mann belogen
- Sachsens Verfassungsschutz: Heiße Spur im April 2000 ignoriert
- NSU: kein Selbstmord und weitere Täter?
- NSU-Prozess: Viele Zufälle
- BKA hörte Böhnhardts Handy ab
- NSU Zeuge: Am Tag des Verhörs verbrannt
- NSU reicher als gedacht?
- Verfassungs"schutz"? Im Gegenteil!
- NSU-Mitwisser sterben stets vor Aussage
- Kiesewetter-Mord: Ku-Klux-Klan Chef vor Überwachung informiert
- Geheimdienstler vernichten Beweismaterial
- NSU-Handy im Panzerschrank
- NSU Waffen durch Polizeispitzel beschafft?
- BKA behauptet: Böhnhardt und Mundlos sind Alleintäter
- NSU: 5 Zeugen die ewig schweigen
- V-Mann Führer muss NSU-Mord gesehen und gehört haben
... (Auch hier gibt es noch mehr zu berichten ...)
Mehr dazu bei https://www.cilip.de/2018/10/12/konferenz-40-jahre-cilip/
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Created: 2018-12-09 10:10:39
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