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03.08.2016 "Warum hast du nichts getan?"
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In der Türkei werden kritische Journalisten mundtot gemacht

Wir kennen alle die Aussage von Pastor Martin Niemöller

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Es wird also Zeit, dass wir den Mund aufmachen, gegen

  • willkürliche Verhaftungen und Folter
  • gegen Arbeitsverbote
  • gegen Ungültigmachen von Reisepässen
  • gegen Schließungen von Radio, Fernsehen und Presse
  • gegen Schikane von Menschen wegen ihrer Kleidung
  • ...

Vergangene Woche wurde in der Türkei die Schließung von 45 Zeitungen, 16 Fernsehstationen, 23 Radiosendern und drei Nachrichtenagenturen angeordnet – und die Verhaftung von allein 47 Journalistinnen und Journalisten der Zeitung Zaman.

Wir berichten darüber - aber wo bleibt die aktive Solidarität mit den betroffenen Menschen?

Es gibt immerhin den "Appell der Berufsverbände", den der Deutschen Journalisten-Verband (DJV) zusammen mit dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Anwaltsverein und dem Deutschen Hochschulverband veröffentlicht hat und in dem sie die Bundesregierung und die Europäische Kommission auffordern, "nicht zuzuschauen, wie in der Türkei der Rechtsstaat abgewickelt wird!"

Mehr dazu bei http://taz.de/Pressefreiheit-in-der-Tuerkei/!5323041/


Update 03.08.2016 18:00 : Kein Deal mit der Türkei über Menschenrechte

Gemeinsame Presseerklärung von Jurist_innen- und Bürgerrechtsorganisationen vom 03.08.2016

Angesichts der aktuellen massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei darf es keinen Deal mit der türkischen Regierung über Menschenrechte – auch nicht mit den Menschenrechten von Flüchtlingen – geben.

Deshalb fordern wir, zehn Jurist*innen- und Bürgerrechtsorganisationen, die Bundesregierung auf:

  • einen sofortigen Abschiebestopp für die Türkei zu erlassen;
  • sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die willkürlichen und politisch motivierten Verhaftungen, Entlassungen oder Suspendierungen sofort aufgehoben werden;
  • vom Präsidenten der Türkei und seiner Regierung mit Nachdruck zu verlangen, dass der Rechtsstaat und die Demokratie in der Türkei umgehend wieder hergestellt werden;
  • die Konsultationsgespräche mit Vertretern des türkischen Geheimdienstes auszusetzen;
  • die Wiederherstellung der richterlichen Unabhängigkeit und der freien Berufsausübung von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, Staatsanwälten und Staatsanwältinnen und die Freiheit der Medien in der Türkei einzufordern.

Das Vorgehen der türkischen Staatsführung in den vergangenen zwei Wochen nach dem versuchten Militärputsch stellt eine massive Verletzung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen dar:

Mit der Entlassung von über 70.000 Staatsbediensteten, unter ihnen tausende Richter und Staatsanwälte, von denen über 2000 festgenommen wurden, setzt sich in rasantem Tempo eine Entwicklung fort, die wir bereits seit Jahren beobachten: Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung werden politisch missliebige, oder die eigene Machtposition gefährdende Gruppen, Rechtsanwälte, Journalisten, Akademiker, Politiker und Gewerkschafter und nun auch Richter, Staatsanwälte und Lehrer strafrechtlich verfolgt und ihrer Ämter enthoben. Festgenommene werden öffentlich zur Schau gestellt, teilweise mit deutlichen Folterspuren, eine Lynchjustiz wird gebilligt und über die Wiedereinführung der Todesstrafe wird ernsthaft nachgedacht. Anwälte erhalten keinen Zugang zu den Gefängnissen und ihren Mandanten.[1]

Als das türkische Verfassungsgericht Ende Februar 2016 die angeordnete Untersuchungshaft gegen zwei Journalisten aufhob, die die staatliche Unterstützung militanter Islamisten in Syrien öffentlich gemacht hatten, drohte der türkische Präsident Erdogan bereits den Richtern: „Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht“[2]. Dieser Drohung hat er jetzt Taten folgen lassen.

Die Entlassungen von fast einem Viertel der gesamten Richterschaft – die offenbar bereits vor dem Putschversuch des 15. Juli 2016 vorbereitet wurden – hebt die Unabhängigkeit der Justiz auf. Die Gewaltenteilung ist mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nun auch rechtlich nicht mehr gewährleistet. Die Türkei als demokratischer Rechtsstaat existiert seit dem 16. Juli 2016 nicht einmal mehr als potemkinsches Dorf.

Am 21. Juli 2016 verkündete die türkische Regierung, nicht mehr an die EMRK gebunden zu sein[3]. Dass die Türkei - die sich faktisch schon unter formaler Anerkennung der EMRK systematisch über die Garantien der Menschenrechtskonvention hinwegsetzte - diese nunmehr suspendiert, lässt das Schlimmste befürchten.

Es zeigt aber vor allem, dass die türkische Regierung den türkischen Staat auch nicht als eine die Menschenwürde achtende Grundordnung versteht. Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen vielmehr den seit Jahren von der AKP offensiv betriebenen Umbau der Türkei nach einem Programm, welches auf religiöse Intoleranz und die gewaltsame Durchsetzung ihrer Interessen gründet.

Wir als Juristen*innen und Bürgerrechtsorganisationen versuchen, unter den gegebenen Umständen die Zusammenarbeit mit unseren demokratischen und fortschrittlichen Schwesterorganisationen in der Türkei fortzusetzen; und wir werden uns weiterhin uneingeschränkt für die Unabhängigkeit der Justiz und der Anwaltschaft in der Türkei einsetzen.

(1) http://www.amnesty.de/2016/7/18/tuerkei-nach-dem-putsch-menschenrechte-ernst haft-gefahr
(2) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei-lange-haftstrafen-fuer-regierungskritike-journalisten-14219395.html
(3) SZ, Nach Putschversuch Türkei will Europäische Menschenrechtskonvention teilweise aussetzen: http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-putschversuch-festnahmen-in-der-tuerkei-zehntausende-entlassungen-inhaftierte-ohne-rechte-1.3085149

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte - Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin


 

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