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Digitale Überwachung
IT- Unterrnehmer wollen uns einreden, dass alle Probleme mit „Informationen“ gelöst werden können - je mehr man vom Einzelnen weiß, desto besser. Politik gibt es dann nicht mehr, nur noch soziale Physik. Selbst die Experten in Silicon Valley haben gelegentlich recht. Die Produktion, Akkumulation und Analyse der Spuren digitaler Geräte bringen tatsächlich realen Nutzen. Nach der Logik der Friedensdividende - dem populären Schlagwort der neunziger Jahre, wonach sinkende Militärausgaben dem Wirtschaftswachstum zugutekommen sollten - können wir von einer Überwachungsdividende sprechen: der Vorstellung, wonach das Internet der Dinge, Big Data und die unausweichliche Erschütterung des gesamten Universums durch eine Handvoll kalifornischer Startup-Unternehmen zu wirtschaftlichem Überfluss, politischer Emanzipation und weltweitem Wohlstand führen. Ihr Nutzen ist real. Die richtige Frage lautet daher nicht, ob die Überwachungsdividende es uns ermöglicht, besser zu regieren und besseres Wissen zu erlangen. Sie lautet vielmehr: besser als was? zur englischen Version: Like clueless human guinea pigs Zur Beantwortung dieser Frage ist es hilfreich zu analysieren, wie die Anhänger der Überwachungsdividende deren Vorzüge in verschiedenen Bereichen hervorheben. Alex Pentland, Professor am MIT Media Lab, Berater des Weltwirtschaftsforums in Davos, beschreibt in seinem neuen Buch „Social Physics“ ein Experiment namens FunFit, das in Boston durchgeführt wurde: Es ging darum, Mitglieder einer lokalen Gemeinschaft zu mehr körperlicher Aktivität zu bewegen. Früher hätte man im Rahmen der Studie wahrscheinlich mit einer Werbekampagne über die Vorzüge einer gesunden Lebensweise begonnen. Oder man hätte die Probanden dafür bezahlt, fit zu bleiben. Pentland wählte eine andere Strategie: Allen Probanden stellte man zwei Mitglieder aus derselben Gemeinschaft zur Seite, die entweder weitläufig oder aber gut mit ihnen bekannt waren. Diese beiden Helfer erhielten kleine Geldbeträge, wenn es ihnen gelang, den von ihnen Betreuten zu mehr körperlicher Aktivität zu bewegen, wobei diese Aktivität mit einen Beschleunigungsmesser in einem für die Studie bereitgestellten Smartphone gemessen wurde. Wenn sie als Proband mehr als üblich umherliefen, erhielten ihre beiden Bekannten Geld - nicht sie selbst. Die Ergebnisse waren erstaunlich. Das Verfahren war viermal wirkungsvoller als der traditionelle Ansatz, bei dem der Proband die Belohnung erhält. Und wenn es sich bei den Bekannten um Leute handelte, mit denen der Proband häufig Kontakt hatte, war die Wirkung sogar achtmal so hoch. So verkündet denn Pentland die Geburt einer neuen Wissenschaft: der „sozialen Physik“. Wenn wir unsere sozialen Beziehungen analysierten und dieses Wissen nutzten, um dem Einzelnen speziell auf ihn zugeschnittene Anreize zu verschaffen, könnten wir die lange vernachlässigten sozialen Probleme lösen. Beobachtung löst ProblemePentland nennt noch ein weiteres Beispiel. Während der amerikanischen Kongresswahlen 2010 führten Forscher amerikanischer Universitäten eine Studie mit 61 Millionen Facebook-Nutzern durch, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Beide erhielten Nachrichten, die sie motivieren sollten, zur Wahl zu gehen, aber die erste Gruppe bekam eine allgemein gehaltene, unpersönliche Nachricht, während die zweite Gruppe eine personalisierte empfing, samt den Gesichtern von Freunden, die bereits gewählt hatten. Die Gesetze der sozialen Physik bestätigten sich auch hier: Bei der zweiten Gruppe lag die Wahlbeteiligung höher. Und bei engen Freunden waren im Unterschied zu bloßen Internetbekanntschaften die Ergebnisse besonders eindrucksvoll: Hier gingen viermal so viele zur Wahl, nachdem sie die personalisierte Nachricht gesehen hatten. Alle Artikel zu
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