Tear down the walls, Mrs Leyen
Zum Jahresende erreichte uns ein Brief von Sea-Watch.org in dem den Forderungen aus der Politik nach mehr "Grenzschutz" und strengeren Regeln für Geflüchtete die Erzählungen der Menschen entgegen gestellt werden, die ihre Flucht vor Verfolgung durch Zufall und auch die Hilfe von Sea-Watch überlebt haben.
Um nach Black Friday, Super Monday und dem Einkaufsrausch zu Weihnachten samt millionenschweren Böllerorgien zu Sylvester die Gedanken wieder auf wirklich lebenswichtige Dinge zu lenken, möchten wir diese Schilderungen hier wiedergeben.
Sea-Watch schreibt unter der Überschrift: Was haben wir erreicht?
Es gibt gute Gründe, Zahlen zu sammeln, sie helfen uns, Rechenschaft abzulegen. ... Viele von uns werden niemals begreifen, was es heißt, zu fliehen. Was es wirklich bedeutet, Angst um die eigene Sicherheit oder die der Liebsten zu haben. ... Auf unseren Rettungsschiffen begegnen wir vielen von Euch. Wir begleiten Euch für einen kurzen Moment auf Eurer Flucht, teilen ein Stück Eures Weges.
Junior, Du warst erst sechs Jahre alt, als Du in Libyen von Deiner Familie getrennt wurdest. Deine Mutter und Schwester waren gezwungen, ihre gefährliche Reise fortzusetzen und erreichten Europa. Ein halbes Jahr lang warst Du auf Dich allein gestellt, bis die Crew unserer Sea-Watch 3 Dich am 17. Juni 2020 rettete. In Italien konnte Deine Mutter Dich endlich wieder in die Arme schließen.
Souleman, am 23. August 2020 hast Du es gemeinsam mit Deiner Frau und Deinem Sohn auf unser Rettungsschiff geschafft. Noch in der ersten Nacht an Bord batst Du um Stift und Papier, um einen Brief an Europa zu schreiben. Darin hast Du von den Höllenlagern Libyens berichtet, von Folter und Zwangsarbeit, die Ihr überleben musstet. Du hast gefordert, dass Black Lives Matter überall gelten muss – im Mittelmeer, in Libyen und in Europa. Wenige Tage später gingt Ihr in Sizilien an Land. Wir hoffen, dass es Euch heute gut geht.
Rahman, im März dieses Jahres fanden wir Dich im völlig überfüllten Unterdeck eines Holzbootes. Du warst bereits bewusstlos, vergiftet von den tödlichen Treibstoffgasen, als wir Dich an Bord der Sea-Watch 5 brachten. Stundenlang kämpften unsere Ärzt:innen um Dein Überleben. Du hast es nicht geschafft. Du warst noch nicht einmal 20 Jahre alt.
Sara, 2015 bist Du mit Deiner kleinen Schwester aus Syrien geflohen. Ihr habt Euer sinkendes Boot schwimmend und mit eigener Kraft an die griechische Küste gezogen. Dafür wurdest Du angeklagt – weil Du Dich selbst und die anderen Menschen an Bord gerettet hast. 2021 hast Du Dich unserer Crew auf der Sea-Watch 4 angeschlossen. Mit unerschütterlichem Mut bist Du aufs Mittelmeer zurückgekehrt, um anderen zu helfen.
Aliou, am 21. November 2021 wurdest Du an Bord eines wackeligen Holzbootes geboren. Du hattest Glück: 15 Stunden später fanden Du und Deine Mutter nach einer herausfordernden Rettungsaktion auf unserer Sea-Watch 4 Sicherheit. Du bist nicht das erste Kind, das auf den Wellen des Mittelmeeres zur Welt kam. Wir denken auch heute noch oft an Euch.
Es gibt so viele weitere Geschichten von Euch – Geschichten, die Grenzen überwinden. Grenzen, die geschaffen wurden, um zu trennen und zu unterdrücken. Doch trotz allem tragt Ihr so viel Resilienz, Stärke und Hoffnung in Euch. Euer Mut zeigt uns, was es bedeutet, für Sicherheit zu kämpfen, die Liebsten zu schützen und Euer Recht auf Freiheit einzufordern.
Wir stehen an Eurer Seite – auch im nächsten Jahr. Im Kampf für sichere Fluchtwege, für das Recht auf Bewegungsfreiheit und für eine Welt, in der die Würde aller Menschen geachtet wird.
In Solidarität
Eure Sea-Watch-Crew
Mehr dazu bei https://sea-watch.org
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Erstellt: 2025-01-02 09:36:56 Aufrufe: 106
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