28.04.2022 Urteil: Verfassungsschutz verstößt gegen Grundgesetz

"Terroristische Bedrohung" wird leichtfertig von Amts wegen festgestellt

Wie wir schon seit Jahren beklagen, verstößt der Verfassungsschutz gegen die geltenden Grundrechte. Das wurde uns bereits auf dem Tribunal "Geheimdienste vor Gericht" im Oktober 2016 klar. Hinzu gekommen sind in den letzten Jahren aber weitere Überwachungsbefugnisse, wie Online-Trojaner und Handy-Überwachung. Auch darüber haben wir aufgeklärt und ihre Rücknahme gefordert.

Nun hat das  Bundesverfassungsgericht entschieden:
Das bayerische Verfassungsschutzgesetz verstößt in Teilen gegen die Grundrechte.

Geklagt hatten 3 Betroffene mit Unterstützung der "Gesellschaft für Freiheitsrechte". Mindestens einer von ihnen sollte von einem Berufsverbot betroffen werden, nachdem der Verfassungsschutz ihn auf einer Demonstration fotografiert hatte. Alle drei sind Mitglieder der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA), die der bayerischen Verfassungsschutzbericht zur "linksextremistisch beeinflusste Organisation" erklärt hat.

Die 150-seitige Urteilsbegründung behandelt weniger die Frage ob ein Mittel durch einen Geheimdienst eingesetzt werden darf, sondern unter welchen Bedingungen. Wir erinnern uns, dass die letzte Gesetzesänderung sich wieder einmal gegen "terroristische Bedrohungen richten sollte.

Also stellt das Gericht die Frage: Wie groß muss etwa eine Bedrohung sein, um solche Befugnisse zu rechtfertigen?
Und ganz neu ist die Forderung nach unabhängiger Überprüfbarkeit. Bei polizeilichen Maßnahmen muss stets ein unabhängiger Richter ein Vorgehen anordnen oder genehmigen. Dies war bisher bei Geheimdiensten nicht so. Eine Entwicklung in diese Richtung haben wir auch bei Urteilen zur Arbeit des BND mit der Erweiterung des G10-Kontrollgremiums erlebt - auch wenn es im Endeffekt dabei geblieben ist, dass der BND dem Kontrollgremium seine Arbeit (meist) erst im Nachhinein zur Genehmigung vorlegt.

Fazit: Auf jeden Fall hat das BVerfG noch einmal betont, dass Wohnraumüberwachung, die Speicherung von Bewegungsprofilen bei der Handyortung schwere Eingriffe in die Grundrechte der Menschen darstellen.
Leider wird die Klatsche für die Bayerische Landesregierung schnell verheilen, denn das Gericht hat, wie üblich, dem Bundesland eine Übergangsfrist bis Ende Juli 2023 zur Änderung des Gesetzes gewährt anstatt es in die Mülltonne der Geschichte zu verbannen. Wir werden also weitere Jahre mit einem verfassungswidrigen Gesetz leben.

Mehr dazu bei https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bayern-verfassungsschutz-karlsruhe-101.html
und https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/bayern-bundesverfassungsgerichtt-100.html


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Erstellt: 2022-04-28 08:17:31
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