Rechtliche und organisatorische Hürden fast unüberwindlich
Nicht alle Kirchen sind so "schmuck" und werden von so vielen Menschen besucht, wie dieser Mormonentempel in Salt Lake City vor 60 Jahren. Während dort weiterhin US Bürger mit ihrem christlichen Beharrungsvermögen hineinströmen, werden die Kirchen in Deutschland immer leerer. Es ist jedoch in unserem "regelbasierten" Gemeinwesen nicht so einfach, der Kirche den Rücken zu kehren.
Deshalb wollen wir nach den Schwierigkeiten bei der Personalausweisbeantragung (siehe Biometrisches Foto und Fingerabdruck von Allen ) in der letzten Woche, heute auf eine Artikel in den Materialien und Informationen zur Zeit (MIZ 6.21) verweisen. Dort wird beschrieben, wie schwer es (nicht nur "unter Pandemiebedingungen") ist einen Kirchenaustritt zu erklären.
Auf der Webseite des Amtsgerichts Essen sieht das so aus:
Bitte bringen Sie ein zulässiges Ausweisdokument, zürn Beispie! einen Personalausweis oder Reisepass, mit. Sollte auf dem Identitätspapier keine aktuelle Anschrift eingetragen sein, ist die Vorlage einer aktuellen Meldebescheinigung erforderlich. Bevor Sie die Kirchenaustrittsstell aufsuchen, zahlen Sie bitte auf der Zahlstelle in Zimmer 84 die Gebühr von 30,00 Euro in bar ein.
Sollte ihnen für die gewählte Dienstleistung kein freier Termin angezeigt werden, wird darauf hingewiesen, dass am nächsten Monatsanfang ein weiterer Monat freigeschaltet wird.
So erfolgt die Freischaltung der Termine für Juni 2021 zum Beispiel am 01.04-2021 um 0:00 Uhr.
Gipfel behördlicher Desorganisation: Ende April wird immer noch angekündigt, daß am 1. April die Termine für Juni zu sehen sein werden - tatsächlich zu sehen war nur der Hinweis auf die zu entrichtenden 30 Euro Gebühr.
Das Säkulare Netzwerk NRW fordert: dass die Kündigung der Mitgliedschaft in einer religiösen Vereinigung "nicht schwieriger sein als der Vertragsabschluss". Als ersten praktischen Schritt schlägt das Netzwerk vor, auch in Nordrhein-Westfalen einen Kirchenaustritt bei den Einwohnermeldeämtern zu ermöglichen - statt den Gang vor ein Gericht zu fordern.
Bereits jetzt kann auch schriftlich der Austritt aus einer Religionsgesellschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts rechtswirksam erfolgen. Dafür ist es allerdings notwendig, die Unterschrift von einem Notar beglaubigen zu lassen (was wiederum mit Kosten verbunden ist, sich aber angesichts der derzeitigen Wartezeiten durchaus lohnen kann).
Eigentlich ist es auch völlig unverständlich, dass der Austritt aus eine Religionsgemeinschaft vor Gericht erklärt werden muss, während ein Austritt aus einem Verein durch eine einfache Erklärung gegenüber dieser Körperschaft erfolgen kann. Dieser Zustand spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts wider und sollte sich mit heutiger Zeit erledigt haben.
Aber im Gegenteil, wie die MIZ schreibt: An dieser Stelle zeigt sich auch, welch reaktionäres Potential in den Bemühungen steckt, die islamischen Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts zu installieren. Denn bislang können Muslime, wenn ihnen ihre bisherige Moschee nicht mehr zusagt, einfach in eine andere gehen. Wenn der Schritt, die Islamverbände mit den Kirchen gleichzustellen, vollzogen sein wird, könnten Muslime dann, gleichberechtigt mit ihren katholischen oder evangelischen Nachbarn, auf dem Amtsgericht anstehen und eine Gebühr entrichten, wenn sie in die Moscheegemeinde eines anderen Verbands wechseln möchten. Was den Religionsfunktionären nutzen würde, wäre für einfache Gläubige ein Verlust an Religionsfreiheit.
Statt diese Anachronismen aufzulösen werden sie z.Zt. in CDU/CSU regierten Bundesländern sogar noch verstärkt. Welche Blüten und welchen Geldsegen für die Kirchen diese Praxis beschert, hatte ich in der Nachwendezeit in den "neuen Bundesländern" gezeigt. Menschen erhielten Kirchensteuernachforderungen, weil sie nicht beweisen konnten, dass sie aus einer Kirche ausgetreten wären, der sie nie angehört hatten.
Deshalb steht auch in den "Positionen des Säkularen Netzwerkes NRW" ganz klar: Der alleinige Verdacht, dass jemand einmal Mitglied in einer Religionsgemeinschaft war, kann kein Grund sein, von diesem einen Austrittsbeleg zu verlangen.
Der Rechtsstaat sieht das aber selbst bei inzwischen fast 30% Ungläubigen im Lande noch immer ganz anders ...
Mehr dazu in Materialien und Informationen zur Zeit (MIZ 6.21) S. 18ff
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Erstellt: 2021-07-03 08:38:39 Aufrufe: 1223
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