22.06.2021 "Mordsmäßige Erfolge" durch EU Militär-Forschung

Türkei und Israel verdienen dadurch Milliarden

Seit Jahren protestieren wir gegen die Verschwendung von Steuermitteln für die militärische und sogenannte Dual-Use Forschung mittels der EU Forschungsprogramme FP7 und FP8 (Horizon 2020), von uns "Stop Orwell 2020" genannt. In einem eigenen Webauftritt hatten wir die verschiedenen Projekte auf ihre Verträglichkeit mit den Menschenrechten untersucht und diejenigen Projekte angeprangert, deren militärische Komponente oder der Überwachungscharakter unübersehbar waren.

Nun zeigt sich, dass die Ergebnisse dieser Forschungen einige tausend Todesopfer erzeugt haben. Das hat dann im letzten Dezember auch in der SPD Fraktion zu Kontroversen geführt, die inzwischen leider nicht weiter geführt sondern bei der am 23.6. anstehenden Entscheidung zu FCAS, dem Future Combat Air Support System aus Kampfflugzeugen und Drohnenschwärmen, zugedeckt werden.

Der erste Drohnenkrieg

Armenien und Aserbaidschan haben über 44 Tage einen kurzen und sehr verlustreichen Krieg geführt. Auf beiden Seiten sind jeweils etwa 3000 Soldaten getötet worden, daneben noch ca. 150 Zivilisten und 150.000 Menschen mussten aus dem umkämpften Gebiet fliehen. Was hat das mit EU-Forschung zu tun?

Das IMI Magazin zitiert Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations (ECFR): „Mithilfe [seines] Drohnenarsenals konnte Aserbaidschan armenische Positionen aufklären; die Stellungen wurden dann mit Artillerie beschossen, während bewaffnete Drohnen nachgelagerte Reserven angriffen und Unterstützungswege abschnitten." Mit dieser Kombination verschiedener Drohnen gelang es Aserbaidschans Streitkräften, armenische Flugabwehrsysteme, Kommandostrukturen, gepanzerte Fahrzeuge, darunter insbesondere Kampfpanzer, und ungedeckte Artillerie gezielt zu zerstören. Gleichzeitig wurden die unbemannten Luftfahrzeuge eingesetzt, um Nachschubwege zu unterbrechen, Versorgungspunkte zu bombardieren, sowie armenische Gegenstöße, teils noch während sich die Truppen in den jeweiligen Verfügungsräumen hinter der Frontlinie sammelten, mit Präzisionsangriffen zu zerschlagen.

Am Ende ging man in Ermangelung von Zielen dazu über, einzelne Soldatengruppen mit Drohnen zu attackieren. Man kann sich die Ohnmacht der Betroffenen vorstellem, die z.B. von den Kamikaze-Drohnen vom Typ Harop angegriffen wurden. Die Soldaten ahnen, was auf sie zurast, können die kleine Drohne mit dem tödlichen Sprengsatz aber nicht ausfindig machen - und werfen sich am Ende hilflos auf den Boden. Oberstleutnant Markus Reisner zitiert in Zenith  auch einen Psychotherapeuten, der mit Überlebenden arbeitet: "In einem offenen Gefecht ist der Gegner erkennbar und in Menschen entsteht der Drang, zu handeln. Wir nennen das interne Kontrollüberzeugung. Wer aber keinen Gegner sieht, dessen Kontrollüberzeugung externalisiert sich. Die Soldaten glauben dann nicht mehr, Einfluss auf ihr Schicksal zu haben. Sie werden zu passiven Zuschauern ihres eigenen Lebens".

Wie gelang Aserbaidschan diese Aufrüstung?

Durch seine Ölvorkommen hatte Aserbaidschan mehr Mittel zur Verfügung als Armenien, welches von Russland unterstützt wurde. Nach Angaben von SIPRI hat Israel Aserbaidschan zwischen 2006 und 2019 Waffen im Wert von 825 Millionen Dollar verkauft, darunter etliche Kampfdrohnen und  'herumlungernde Munition', also 'Kamikaze-Drohnen' geliefert. Nach Presseberichten waren die Ausgaben sogar noch höher. Außerdem hat Aserbaidschan von der Türkei die bewaffnete Kampfdrohne Bayraktar TB2 aus türkischer Produktion gekauft (Stückpreis zwischen 3,5 und 5 Mio US$).

Drohnen zum Schutz der Soldaten?

Dieses Argument zieht Frau Kamp-Karrenbauer gern, doch im oben beschriebenen Ernstfall endete dieser Schutz in einem Desaster. Un damit schließt sich der Kreis zu den oben genannten EU Forschungsprojekten aus FP6, 7 und 8 (Horizon 2020). Wie im IMI Magazin Ausdruck vom Juni 21 zu lesen ist,

... wurde die Entwicklung vieler dieser Komponenten - von der Sensorik und Bilderkennung über die Kommunikationsnetzwerke und automatisierte Datenauswertung bis hin zu den Steuerungssystemen - durch die Europäische Kommission im Rahmen ihrer (eigentlich zivilen) Forschungsrahmenprogramme 6 und 7 sowie Horizon2020 gefördert. Die Förderung war dabei weitgehend auf Mitgliedsstaaten der EU beschränkt, mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen: Israel und der Türkei.

Der türkische Drohnenhersteller IAI, der nicht nur die deutschen Heron-Drohnen produziert, sondern auch die von Aserbaidschan ausgiebig eingesetzten Kamikaze-Drohnen vom Typ Harop, profitierte umfangreich von den genannten Programmen und war auch in verschiedene Projekte mit unmittelbarem Drohnen-Bezug eingebunden (z.B. AERO-CEPTOR, AIRPASS, OPARUS). Bei einem anderen Projekt, TALOS, ging es um den Einsatz unbemannter Landroboter (unmanned ground vehicles, UGV) im Grenzschutz. Beteiligt waren daran neben IAI auch das türkische Rüstungsunternehmen Aselsan, auf dessen Homepage sich mit Sensorik und Gewehren bestückte UGVs bewundern lassen, die landläufigen Vorstellungen von "Killerrobotern" doch sehr nahekommen. Aselsan war neben TALOS noch an einem guten Dutzend weiterer EU-Forschungsprojekte beteiligt, in denen es v.a. um verbesserte Sensorik und Bilderkennung ging.

An dem "ersten echten Drohnenkrieg" mit Tausenden Toten haben einige Firmen in der Türkei und Israel Milliarden verdient. Die Grundlagen dafür schufen die Steuerzahler in der EU mit der Finanzierung fragwürdiger "Forschungsprojekte" - vor denen wir seit Jahren gewarnt haben.

Mehr zu den EU Forschungsprojekten im Bereich "Sicherheit" bei https://aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/238-ueberblick-finanzrahmen-fp7-stop-orwell.htm
und die ganze Geschichte dieses schmutzigen Drohnenkrieges im IMI Magazin Ausdruck Juni 21 Nr. 105 , ISSN 1612-7366, S. 35ff


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Erstellt: 2021-06-22 00:14:23
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