10.06.2021 Der kleine und der große Staatstrojaner

SPD: Auf keinen Fall unterhalb der Schwelle der Strafprozessordnung

So hat es die SPD versprochen - so hat sie es gebrochen!

Warum wundert sich eigentlich immer noch jemand in der SPD über ihre Wahlergebnisse? Derjenige sollte einfach mal nach "SPD" auf unseren Seiten suchen und wird in mindestens 50 Fällen fündig, wo diese Partei ihre Versprechen oder sogar ihr Programm unter dem Druck von rechts gebrochen hat.

Das Versprechen

Netzpolitik.org schreibt: "Im Februar sagte uns die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, die Bundespolizei bekomme den Staatstrojaner „auf keinen Fall präventiv, also nicht unterhalb der Schwelle der Strafprozessordnung“. Dieses Versprechen hält die SPD nicht ein. Unsere Presseanfrage von gestern hat Esken nicht beantwortet."

Der "Kompromiss"

Und das Ergebnis wird dann noch als "Kompromiss" verkauft! Dann können wir ja nur vermuten, dass die CDU/CSU allen Menschen im Lande den Staatstrojaner standardmäßig installieren wollte. In dem nun vorliegenden Änderungsantrag eines "Gesetzes zur Modernisierung der Rechtsgrundlagen der Bundespolizei" wird entgegen allen Versprechen der SPD festgelegt, dass die Bundespolizei Staatstrojaner gegen Personen einsetzen darf, die noch gar keine Straftat begangen haben.

Damit erhält die Bundespolizei eine Befugnis zur präventiven Telekommunikationsüberwachung. Dazu kann sie Schadsoftware auf Endgeräten einsetzen und deren Inhalte und deren Kommunikation mitschneiden. Im Gesetz heißt es, der Einsatz soll "sich gegen Personen richten, gegen die noch kein Tatverdacht begründet ist", denn die bereits bestehenden und von uns seit Jahren ebenfalls kritisierten Staatstrojaner dürfen nach der Strafprozessordnung (StPO) und der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) angeordnet werden, wenn im Rahmen von Ermittlungen ein Tatverdacht besteht.

Private Daten ??

Netzpolitik.org nennt den alten Staatstrojaner netterweise den "kleinen Staatstrojaner", also die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), der sich nach geltender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die laufende Kommunikation beschränken muss. Auch wenn dies technisch kaum sicherzustellen ist, dürfen die aktuellen (kleinen) Staatstrojaner keine Daten aus den Endgeräten abfischen und schon gar nicht verändern (erzeugen von "Beweisen").

In einer offensichtlichen Grauzone befindet sich die "gespeicherte Kommunikation", also der Verlauf von Messengern oder das lokale Mailpostfach. Vor 4 Jahren wurde die Quellen-TKÜ für alle Polizeibehörden erstens auf eine lange Liste an Straftaten und auf die "gespeicherte Kommunikation" ausgeweitet. Hier muss und wird das BVerfG noch ein Stopp-Schild aufstellen, da andernfalls die überwachten Menschen bar jeder Privatsphäre wären.

Deshalb hat die Koalition in ihrem "großen Staatstrojaner" (erst einmal) die Befugnisse nicht auf gespeicherte Inhalte, sondern nur auf laufende Kommunikation beschränkt.

Wie geht es weiter?

Schlimm genug, aber längst nicht alles. Auch 2 Wochen vor Beginn der Sommerpause und eigentlich dem Ende der GroKo will diese Große Koalition der nächsten Regierung noch weitere Kuckuckseier ins Nest legen:

Dagegen hat sich letzte Woche eine seltsam breite Allianz ausgesprochen. Alle Datenschützer, angefangen beim Chaos Computer Club aber auch die Netzdienstleister bis zu den Internet-Giganten Google und Facebook haben dagegen protestiert - die einen, um unser aller Freiheit zu bewahren, die anderen, um ungehinder weiter ihren Geldbeutel zu mehren.

Mehr dazu bei https://netzpolitik.org/2021/bundespolizeigesetz-grosse-koalition-einigt-sich-auf-staatstrojaner-einsatz-schon-vor-straftaten/
und der jetzt gefundene "Kompromiss" https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2021/06/2021-06-03_GroKo_BPolG_Aenderungsantrag_19-4864.pdf


Kommentar: RE: 20210610 Der kleine und der große Staatstrojaner

Auch die Gewerkschaft Verdi hat den Gesetzentwurf zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts als schweren Eingriff in das IT-Grundrecht sowie in die Grundrechte auf Telekommunikationsfreiheit und Pressefreiheit kritisiert. Das von zahlreichen Sachverständigen als verfassungswidrig eingeschätzte Gesetz räume den 19 Nachrichtendiensten weitreichende Möglichkeiten der digitalen Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern ein, hieß es in einer Pressemitteilung vom Mittwoch. Zudem würden Netzbetreiber zur Mitwirkung bei diesen Überwachungsmaßnahmen verpflichtet.

Ti., 10.06.21 10:17


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Erstellt: 2021-06-10 08:41:38
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