18.05.2021 Digitalisierung ohne Systemveränderung sinnlos

Marx und Digitalisierung?

Alle rufen nach "mehr Digitalisierung". Alle? Auf jeden Fall ist die FDP die einzige Partei, die sich allein aus einem "mehr an Digitaliserung" automatisch Fortschritt und Wohlstand erhofft. Für die anderen Parteien ist es mehr oder weniger ein Mittel zur Realisierung des jeweiligen Parteiprogramms. Bei der CDU fördert Digitalisierung die Wirtschaft, bei SPD und Linken soll Digitalisierung die demokratische Teilhabe verbessern und bei den Grünen den ökologischen Umbau.

Die Politiker sollten alle das Interview von Claudia Wangerin auf Telepolis mit der Soziologin Sabine Pfeiffer über ihr Buch "Digitalisierung als Distributivkraft: Über das Neue am digitalen Kapitalismus" lesen. Digitalisierung darf und kann kein Selbstzweck sein!

Die Autorin verweist gleich zu Beginn in ihrem Buch: "Wer meiner Argumentation folgen will, kommt nicht um Karl Marx herum". Auch 200 Jahre nach seinen Analysen der gesellschaftlichen Verhältnisse helfen sie auch beim Verständnis der Vorgänge heute. Sie stellt fest:

Marx hat wohl wie kaum ein anderer Ökonom die Rolle der Technik ernst genommen und vor allem das Wechselspiel zwischen Gesellschaft, den Fähigkeiten der Menschen, den wirtschaftlichen Dynamiken und der technischen Entwicklung in den Blick genommen. Eine solch komplexe Analyse kann uns auch heute helfen. Denn das meiste, was im Netz gerade passiert - sei es die Plattformökonomie oder eben, dass unser Nutzungsverhalten zur Ware wird - ist zwar technisch ermöglicht, aber vor allem folgt es ökonomischen Interessen. ...

Mich interessiert aber weniger, warum Alphabet/Google es zum Beispiel im ersten Quartal 2021 schaffte, pro Stunde acht Millionen Dollar Reingewinn einzufahren. Spannender finde ich, warum es so viele Unternehmen gibt, die bereit sind, so exorbitant für Werbung bei und über Google zu bezahlen - denn einen Großteil dieses Gewinns generiert Google weiterhin über Werbung. Dazu - und übrigens auch zur ökonomischen Bedeutung von Kommunikationsnetzen und Infrastruktur - findet sich dann bei Marx eben doch erstaunlich viel Brauchbares.

Es geht schlussendlich bei der Digitaliserung nicht (vorrangig) um Technik sondern um Macht und Einfluss. Die Digitaliserung dynamisiert Werbung und Konsum in ungeahntem Ausmaß. Der Kapitalismus wird weiter enorm entfesselt. Es werden Unmengen mehr an Waren umgesetzt - egal ob wir sie wirklich benötigen oder nicht.

Selbst in Corona-Zeiten können wir nicht von einem ökologischen Plus der Digitaliserung sprechen, selbst wenn durch Videokonferenzen die eine oder andere Dienstreise wegfällt. Der CO2 Verbrauch des Internets ist enorm - 10% aller elektrischen Energie wird dafür verbraucht. Dazu kommen die Folgekosten, die das Konsumieren über das Netz erzeugen.

... beim Online-Shopping [ist] ja nicht der Server auf dem die Shop-Software läuft, das eigentliche ökologische Problem. Sondern dass der Transport eines kleinen und günstigen Konsumguts - zum Beispiel eine Packung von sechs Eierlöffeln aus Plastik für 1,99 Euro - von China nach Deutschland kaum Mehrkosten produziert. Nicht die paar Bits für meinen Warenkorb sind das Entscheidende, hinzu kommen ökologische Kosten für die Bezahltransaktionen und vor allem für den Transport um den halben Globus. Dass das eigentlich produzierte Gut so günstig ist, weil vor Ort schlimmste Arbeitsbedingungen, minimalste Löhne und oft desaströse Umweltauflagen herrschen, kommt dazu.

Und selbst in diesem trivialen Beispiel finden sich die fast 200 Jahre alten Analysen von Karl Marx wieder.

Unmengen von Plastikeierlöffeln werden von unzähligen Anbietern produziert. Ein Großteil dieser Löffel wird nie verkauft werden. Das ist für die Anbieter mit weniger Erfolg auf dem Eierlöffelmarkt ein ökonomisches Problem. Es ist für uns alle aber ein ökologisches Problem. Weil mit diesem Berg von nicht benötigten Eierlöffeln massenhaft Ressourcen unwiederbringlich vernutzt wurden. Es geht doch nicht nur um CO2. Die Vielfalt der ökologischen Desaster, die wir mit dieser Art des Wirtschaftens seit Generationen produzieren, ist leider ja viel vielfältiger.

Ebenso lässt sich aus den Analysen von Marx erkennen, dass der Kapitalismus zur Anhäufung der Wirtschaftsmacht und des Reichtums bei immer weniger Menschen führt. Einige davon lassen sich heute namentlich benennen: Bill Gates, Jeff Bezos, ... Ihre Macht ist größer als die vieler Staaten, gegen ihre "Ideen" sind demokratische Entscheidungen von Regierungen oft ein stumpfes Schwert.

Mehr dazu bei https://www.heise.de/tp/features/Im-Moment-macht-mir-eher-die-Misswirtschaft-des-Kapitalismus-Sorgen-6046831.html
und in Sabine Pfeiffers lesenswertem Buch https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5422-6/digitalisierung-als-distributivkraft/?c=311000132&number=978-3-7328-5422-6

 


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Tags: #Marx #Digitalisierung #Kapiatalismus #System #Demokratie #Mitbestimmung #Konsum #Verhaltensänderung #Ökologie #Energieverbrauch #Internet #Meinungsfreiheit #Pressefreiheit
Erstellt: 2021-05-18 08:52:14
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