Ein Leben ohne Facebook und Google ist möglich
Katharina Larisch und Volker Wittpahl haben den Versuch gewagt. Angeregt durch die Vorträge auf den Privacy Week 2018 in Wien beschlossen sie, zu versuchen ihr Leben weitgehend digital selbstbestimmt zu gestalten. Für Katharina war zusätzlich Andreas Eschbachs Roman „NSA – Nationales Sicherheitsamt“ ein Auslöser für den Selbstversuch. Dieses hatte sie so erschreckt, dass sie mitmachen wollte. Nach einem Jahr hat sie nun FM4 vom ORF dazu interviewt.
Die erste Hürde war eine strikte Trennung von Privat- und Arbeitsleben, denn auf die Geräte und Programme des Arbeitgebers hat man kaum Einfluss. Das zweite "Ärgernis" waren die Gemütszustände nach den Coachings durch Klaudia Zotzmann-Koch, die ihnen darlegte, wo überall genau Daten aus uns herausgezogen werden und wie wir getrackt werden. Es entstand ein Gefühl der Kleinheit gegenüber der Masse der Programme, die einen überall verfolgen.
Dann ging es Schritt für Schritt voran
- Welche Geräte haben wir?
- Was für Betriebssysteme sind da drauf?
- Welche Software ist da drauf?
Dann kamen die entscheidenden Fragen
- Was ist einem wichtig?
- Was ist für einen wertvoll?
Und schon waren einige Anwendungen verzichtbar ohne wirklich Verzicht zu verspüren. Die ersten Kandidaten, die über Bord gingen waren
- WhatsApp durch einen vertrauenswürdigeren Messenger ersetzen, z.B. Wire, Signal, Threema, ...
- Das "Googeln" künftig nur noch über Suchmaschinen, wie Ixquick o.ä. durchführen, die nicht alles speichern, verwenden und verkaufen.
- Ein quelloffenes Betriebssystem wie Linux statt Windows nutzen.
Was macht man auf dem Smartphone?
Künftig nur noch klassisch telefonieren? Da machen viele Leute nicht mit, also wollten es die Beiden auch nicht. Während es bei PCs oder Laptops relativ einfach ist ein Linux-System aufzuspielen, welches man dann nach seinen Wünschen gestalten kann, hat man mit dem Smartphone oder Handy Probleme. Es gibt eigentlich nur noch zwei Betriebssysteme, die den Markt dominieren. Mit Lineage OS und seinen Ablegern gibt es jedoch ebenfalls ein quelloffenes System. Das Problem dabei ist, dass die Entwickler es nicht schaffen können, dieses auf alle neuen Handy-Typen anzupassen, die der "Markt hervorbringt".
Es gilt also bereits vor dem Handykauf zu prüfen, ob das Gerät für Lineage OS geeignet ist. Dann kommt allerdings noch etwas Aufwand hinzu, dies zu installieren. Es ist zu empfehlen, sich dazu zu einer der vielen Cryptoparties zu begeben, die in vielen Städten stattfinden (z.B. https://cryptoparty.in/berlin).
Hat man diese Hürde genommen, so können weitere "übliche Apps" über die Planke gehen
- der Google Play Store wird durch F-Droid ersetzt,
- das Google Konto gehört der Vergangenheit an,
- Google kann die eigene GPS Position nicht mehr für die "genauere Standortposition" verwenden,
- Google Maps wird z.B. durch die App OSMand ersetzt, die die freie Open Street Map nutzt.
Natürlich muss ich mir nun Gedanken machen, welche Apps ich wirklich brauche und welchen ich vertrauen will. Auf jeden Fall bin ich die großen Datenkraken Google und Facebook los. Katharina stellt dazu im Interview fest:
"Jedes Bild, das ich über WhatsApp verschicke, gehört dann Facebook, gehört Herrn Zuckerberg und er kann damit machen, was er will. Er kann es verkaufen, er kann es auf die Kellogs-Packung drucken und so weiter." ... und Volker fügt hinzu:
"Wenn wir uns jetzt vorstellen Katharina würde Facebook nutzen wollen, ich aber nicht. Sie hat aber meine Adressdaten in ihrem Telefon und sobald sie sich bei WhatsApp anmeldet, werden all ihre Kontaktdaten, die auf dem Handy sind, zu Facebook übermittelt inklusive der Mobilfunknummern. Das heißt auf einmal hat Facebook meine Mobilfunknummer und unter Umständen meinen Klarnamen, weil Katharina einfach WhatsApp genutzt hat. So kann Facebook auf einmal auf meine Daten zugreifen ohne dass ich etwas dazu beigetragen habe."
Dieser täglich millionenfach stattfindende Datenklau, der natürlich auch gegen die DSGVO verstößt, ist vielen Menschen überhaupt nicht bewußt. Jede/r sollte sich darüber klar werden, dass jede/r Einzelne dafür die Verantwortung trägt. Die Beiden sind sich natürlich auch bewußt, dass sie zwar viel für ihre Datensouveränität getan haben, aber ihre eignen Daten, wie in den obigen Beispiel, weiterhin durch das Verhalten Anderer gefährdet sind.
Die beiden Selbstversucher sind jedenfalls stolz darauf einen ersten Schritt getan zu haben und wollen diesen Weg fortsetzen.
Mehr dazu bei https://fm4.orf.at/stories/2993316/
Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/35Q
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Erstellt: 2019-10-24 09:00:26 Aufrufe: 1141
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