12.07.2018 Die dunklen Seiten der digitalen Agenda

ELSTER (Elektronische Steuererklärung) – Staatliche Zwangsdigitalisierung persönlicher Arbeitsleistung

5 Jahre ELSTER-Umstellungszeit sind jetzt vorbei

Unabhängig davon wie viel oder wie wenig wir verdienen: Steuern sind Pflicht und das ist ja auch gut so. Aber der Staat macht es uns immer schwerer und schwerer diese Steuern zu bezahlen.

Seit 2018 ist es soweit: Die Steuererklärungen für 2017 können nur noch Digital zum Finanzamt übermittelt werden. Dabei gibt es doch den §150 Abs. 8 Abgabeordnung (AO), der ganz klar formuliert:

„(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.“ (Zitat)

Genau genommen bedeutet das unter anderem auch, dass wenn wir sehr wenig verdienen und uns einen Computer und den Internetzugang nicht leisten können, wir eine schriftliche Steuererklärung abgeben dürfen. Wenn man sich aber auf den Härtefall beruft, wird man dennoch beim Finanzamt abgewiesen. Es wird sogar behauptet, die Härtefallregelung würde seit Beginn 2018 nicht mehr existieren. Noch steht sie aber deutlich im Gesetz.

Beim Finanzamt vor Ort

Im Finanzamt vor Ort sehen wir bei 7 Schreibtischen nur noch einen besetzt, offenbar muss niemand mehr die Kunden betreuen, denn es gibt sie nicht mehr. Die wartenden 5 Personen vor mir, allesamt empört, entnervt und verärgert über nicht-funktionierende Internetanschlüsse, Fehler im ELSTER-Verfahren und viele offenen und ungeklärte Fragen. Die Sachbearbeiterin stets ablehnend und jeden Kunden mit einem Blatt auf das Onlineportal verweisend, kann nicht mehr helfen, denn sie ist nicht mehr zuständig. „Wenden sie sich dort an die IT-Abteilung“ ist das neue Mantra. Ihre Aufgabe ist nun nur noch abzuweisen und auf den Computer zu verweisen, auf den sich nun die gesamte deutsche Finanzwirtschaft verlassen soll. Aber was passiert wenn der Superfinanzcomputer Fehler macht? Was passiert, wenn der „Computer NEIN sagt“ und es der Sachbearbeiterin gleichtut? Und JA, natürlich macht er auch Fehler und verweigert durchaus die Mitarbeit:

"Es war alles besser gewesen. Vor ELSTER war alles sehr einfach: Ich habe eh alles in Papierform und musste nur paar Felder ausfüllen, das hat mich auch nicht gestresst denn auf Papier zu schreiben ist nun mal angenehm. Und nun mache ich seit 5 Jahren ELSTER und es hatte sogar funktioniert. Jederzeit habe ich angerufen beim Finanzamt und telefonisch sehr viel Hilfe bekommen, vor Allem beim Ausfüllen. Es war immer jemand erreichbar und das macht mir überhaupt, das alles möglich. Aber seit diesem Jahr funktioniert nichts mehr. Ständig stürzt meine Verbindung ab, ständig kommt es zu Fehlern und das Einloggen funktioniert nicht mal richtig. Der technische Support ist nicht erreichbar und ich musste Mails schrieben.

Ja das tat ich auch und bekam lange, sehr lange Nummernfolgen, die ich in bestimmten Feldern setzen sollte, aber auch das half nicht. Offenbar geht das Ganze den Bach unter. Und jetzt sitze ich hier seit über 1 Stunde und wundere mich, wie man ein gut funktionierendes System so zugrunde richten kann! Natürlich kann ich jederzeit noch die Formulare ausfüllen aber das SOLL ich ja nicht mehr. Wer bezahlt mir die Zeit? Wer bezahlt mir die Nerven für dieses ganze Desaster? Es ist alles nicht nur komplizierter geworden, sondern nimmt ein Vielfaches an Zeit in Anspruch…. "

Und das ist nicht nur die Aussage von einem, sondern von vielen Menschen, die mit den Fehlern von Programmierern allein gelassen werden und deren Lebenszeit gestohlen wird. Tatsächlich habe ich mich auch einige Zeit durch die Finanzamts-Instanzen durchtelefonieren müssen, bis mir jemand am Telefon riet, mit meinem Anliegen vor Ort die Sachbearbeiterin zu fragen. Verständnis hat das Finanzamt zwar, aber keinerlei Hilfen mehr, denn es ist nicht für die jetzige Gesetzessituation zuständig.

„Wir haben die Gesetze nicht gemacht“ sagt die Sachbearbeiterin beim übergeben der Onlineanweisung. „Sie können ja ihren Härtefall hier abgeben aber ich sage ihnen, er wird abgelehnt werden. Da werden sie nicht Drumherum kommen, das Ganze Online zu machen“. Aber was, wenn ich es nun immer noch nicht online machen kann? Die Ideen des telefonischen Supports waren interessant:

„Haben sie keine Freunde, wo sie das Ganze machen könnten?“ Natürlich hat sich der Mensch am Telefon dabei mit Datenschutz kaum beschäftigt, wenn man so einen Vorschlag macht. „Ja aber ich möchte meine Freunde mit diesen Dingen nicht belasten. Es muss doch möglich sein, Steuer auch außerhalb des Internets zahlen zu können. Wo soll das denn hinführen? Bei längeren Störungen des Internets gibt’s doch jetzt schon Probleme. Und da wo noch kein Internet ist oder viel zu langsam, wie in Bayern, da ist es doch auch kaum möglich. Also verstehe ich nicht, was das ganze hier soll…“.

Es wird mir geraten, ins Internetcafé zu gehen, ohne den Datenschutz auch nur im Geringsten zu erwähnen. Was weiß ich, was da für Lausch-Programme in fremden Computern herumspionieren? Meine Daten können abgegriffen werden, das ist ein Fakt, und das wäre meinerseits fahrlässig, es so zu tun! Ja ich würde mich unter Umständen sogar strafbar machen, wenn ich dort meine Steuererklärung abschicke.

Und weiter höre ich einem wartenden Mann zu, der sich wohl sehr viel Mühe mit ELSTER gab:

Er holte sich für die aktuelle Einkommenserklärung die Daten des Vorjahrs in das Template für das aktuelle Jahr und bestätigt die Übernahme. Bei der Kontrolle und Aktualisierung der Zahlen stellt er fest, dass mehrere Anlagen gleiche und völlig unlogische Daten enthalten. Es bleibt nur die mehrstündige Arbeit diese Anlagen zu löschen und neu anzulegen, weil nicht mehr ersichtlich ist, welche Anlage welches Objekt beschreiben sollte. Neugierig ob es sich (hoffentlich nur) um einen Importfehler handelt, schaut der Betroffene in die Erklärung vom Vorjahr und sieht im Ausdruck die gleichen Fehler. Damit hatte er eine eigentlich unverständliche und wegen der Dopplungen von Anlagen auch falsche Steuererklärung abgegeben.

Hand auf's Herz, wer kontrolliert alle Einträge in dem Ausdruck mit den Bildschirminhalten, die ja nach bestem Wissen und Gewissen eingegeben wurden? Der Steuerbescheid vom Vorjahr enthielt keine sichtbaren Ungereimtheiten und es gab auch keine Nachfragen durch den doch wohl noch menschlichen Bearbeiter zu einer unsinnigen Steuererklärung.

Und es gab noch mehr zuzuhören…. Aber mir stellt sich doch immer wieder die Frage, was ist wenn das Internet nicht geht?

Und kann ich nun via USB Stick oder CD meine Steuererklärung abgeben?

Aber schauen wir nochmal ins Internet und recherchieren wir: Was machen denn nun die größeren Unternehmen in Bayern die ihre Daten wegen schlechtem Internet oder Unsicherheiten nicht über das Internet senden können bzw. wollen? Da gibt es zahlreiche Meldungen, dass trotz Verbot doch via USB-Stick und CD abgegeben werden kann. Aber wenn man nur wegen Sicherheitsbedenken einen USB-Stick oder eine CD abgeben möchte und die Internetübertragung nicht nutzen möchte, dann ist es nicht erlaubt. Das entschied der Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17. August 2015 – I B 133/14.

Weder das Finanzamt noch das später angerufene Schleswig-Holsteinische Finanzgericht gingen auf die Forderung einer GmbH ein, ihre Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für 2012 elektronisch auf einem Datenträger, z.B. einer CD oder einem USB-Stick, gespeicherten Daten durch Überbringung des Datenträgers zu übermitteln. Die GmbH empfand das Medium Internet im Allgemeinen und über das von der Finanzverwaltung eingerichtete ELSTER-System im Besonderen im Hinblick auf Hackerangriffe und Datenspionage für zu unsicher. Somit ist nun nach den Steuergesetzen und den aktuellen Urteilen die Datenübermittlung per Datenträgerübergabe nicht zulässig. [Quelle: https://www.rechtslupe.de/steuerrecht/die-steuererklaerung-auf-dem-usb-stick-3101557  ]

Nun was geschieht aber, wenn ich meine Steuererklärung nun nicht einreichen kann? Wegen Internetproblemen, wegen technischer Probleme oder diverses sonstige was da so passieren kann? Die Antwort war klar: Ich werde geschätzt auf Grundlage der letzten bzw. vorletzten Jahres, genauer gesagt auf Grundlage von § 162 Abgabenordnung. In meinem Fall, als Kleinunternehmen mit sehr wenig Einnahmen, vereinfacht es das Ganze jetzt um ein Vielfaches.

So sind wir also verblieben: Mein Härtefallantrag wurde mit Eingangsstempel versehen und weitergeleitet. Der telefonische Support sagte, dass er auch nicht weiter wisse und ich zunächst abwarten soll. Ich könne dann auch einen Widerspruch einlegen, wenn mein Antrag abgelehnt werden sollte und habe dann auch eine Direktdurchwahl zum Sachbearbeiter.

Was UNS sehr empört und kaum jemand bemerkt

Der Staat forderte bisher, dass man steuerliche Berechnungen selbst tätigen könne, Angaben korrekt machen könne sowie Abgaben leisten müsse, und dass man sich dafür unbezahlt Zeit nehmen solle.

Nun seit 2018 will der Staat noch mehr:  Er gibt ihnen vor, WIE sie diese Berechnungen, Angaben und Abgaben machen sollen. Er fordert hier den Besitz eines Computers und eines eigenen Internetanschlusses! Aber damit reicht es noch nicht: der Staat fordert weiter Zeit, um die digitale Sprache, die mit ELSTER verbunden ist, zu erlernen und den Mailsupport zu nutzen und Emails zu schreiben, wohl kaum zu vergleichen mit den effektiven und schnellen Telefonsupport früher.  

Die Forderungen des Staates sind enorm, denn bisher musste niemand eine digitale Sprache erlernen, um seinen Beruf nachgehen zu können oder zwingend technische Geräte kaufen bzw. einen eigenen Internetanschluss besitzen, um Arbeiten zu können.  Natürlich gibt es sie noch, die nicht-digitalen Berufe!

Computerzwang, Internetzwang und den Zwang, vor dem Bildschirm Zeit zu verbringen: DAS sind neue Zwänge und genau DAS ist zu viel! Wir müssen selbst bestimmen dürfen, ob wir unsere Arbeit digital oder analog versteuern möchten. WIR lassen uns nicht vorschreiben, dass wir an einen Computer arbeiten MÜSSEN. Wir lassen uns auch nicht zwingen, IT-Fachbegriffe und technische Linguistik zu erlernen! Es ist unfassbar, wie dreist und selbstverständlich hier IT-Branche und Computertechnik eine Gesellschaft zu untergraben versucht und IHRE besondere Sprache allen aufzwingt. Jeder soll alles verstehen können, was da auf den technischen Zetteln steht und das soll normal werden, aber genau HIER ist Schluss! Wer kein IT-ler ist und sich nicht mit Technik und Internet, Passwörter, Authentifizierungen, Störungen, Sicherheitsschlüsseln und all das, was wohl kaum jemand verstehen kann, beschäftigen will, der muss auch nicht!

An dieser Stelle möchten wir unsere Forderungen stellen:

Beate Baum für Aktion Freiheit statt Angst e.V.

Mehr dazu bei https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/zwangsdigitalisierung.htm


Kommentar: RE: Die dunklen Seiten der digitalen Agenda

Leider wie das Verschwinden des Bargeldes ein Fakt in allzuvielen Ländern. Wer wird als Erstes einen Schritt zurück in die analoge Einfachheit wagen?

Ch., 13.07.2018 19:29


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Erstellt: 2018-07-12 13:38:04
Aufrufe: 1997

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