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09.07.2018 Unbegründete Hausdurchsuchungen bei CCC und OpenLab

Wer Platinen ätzt könnte auch Bomben bauen?

Mit dieser Logik sind Polizisten in mehreren Bundesländern bei Hausdurchsuchungen am 20.6. in Büros des Chaos Computer Clubs und der Zwiebelfreunde e.V. eingedrungen. Darüber konnten wir uns gestern auf einer Soli-Cryptoparty in Berlin-Kreuzberg informieren und gegen diese Unverhältnismäßigkeit unsere Abscheu deutlich machen.

Was ist passiert und was war eigentlich der Anlass?

Die Wohnungen von Aktiven im Vorstand des Vereins Zwiebelfreunde sind in mehreren deutschen Städten mit einer höchst fragwürdigen Begründung „als Zeugen“ durchsucht und Computer und Datenträger beschlagnahmt worden. Auch der Augsburger Ableger des CCC im dortigen OpenLab musste eine Durchsuchung über sich ergehen lassen.

Der Verein Zwiebelfreunde setzt sich seit sieben Jahren für technische Lösungen zur Anonymisierung ein und schult Menschen im Umgang mit Anonymisierungstechniken. Er betreibt unter TorServers.net Relays der Anonymisierungssoftware Tor und hilft Betreibern technisch und juristisch. Hunderttausende Menschen aus Ländern wie China, Iran, Türkei, Russland, Marokko, Syrien und vielen anderen, auch den USA und Europa, nutzen Tor um freien Zugang zum Internet und dadurch freien Zugang zu nicht staatlich kontrollierten Medien zu bekommen. Auch Aktion Freiheit statt Angst bietet seine komplette Webseite unter der Adresse http://a6pdp5vmmw4zm5tifrc3qo2pyz7mvnk4zzimpesnckvzinubzmioddad.onion/ mit einem nichtkontrollierbaren Zugang über das Tor Netzwerk an.

So weit alles super und rechtens - wo ist der Anlass?

Es gibt keinen Anlass außer: Es gab eine anonyme Webseite im Internet, die zu Protesten gegen den AfD-Parteitag in Augsburg aufgerufen hatte. Die unbekannten Betreiber dieser Webseite verwendeten eine beim alternativen E-Mail-Provider Riseup registrierte Mail-Adresse. Für Spenden an den Mail-Provider riseup.net wiederum existiert beim Verein Zwiebelfreunde eine Bankverbindung für ein Spendenkonto. Riseup hat aber seinen Sitz in den Vereinigten Staaten und bietet eine coole und kommerzfreie Alternative zu Gmail an, die von Zehntausenden Menschen weltweit genutzt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft München ging wohl irrig davon aus, dass jeder, der irgendwie auch nur entfernt, z.B. zum Spenden weiterleiten, mit Riseup in Verbindung steht, Angaben über jedes einzelne registrierte E-Mailkonto machen könne. Die ermittelnden Beamten vor Ort war klar, wie schwach und haltlos konstruiert diese Verbindung ist. Das räumten sie gegenüber den Zeugen auch ein, zogen aber die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen trotzdem durch.

„Der Fall zeigt plastisch, wie leicht komplett unbescholtene Bürger mitsamt ihrer Familien durch eine konstruierte Indizienkette zum Opfer schwerer Grundrechtseingriffe werden können. Auf der Basis einer so offensichtlich unhaltbaren Argumentation als Zeuge mit völlig überzogenen Maßnahmen behelligt zu werden, ist mehr als fragwürdig. Die Verschärfung der bayerischen Polizei-Gesetze in den letzten Jahren führt offenbar dazu, dass sich die Verantwortlichen an das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen nicht mehr gebunden fühlen“, sagte Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC).

Nach der Logik der Generalstaatsanwaltschaft München könnte jeder Nutzer eines Gmail-Kontos (und damit Unterstützer von Google) für die Taten eines anderen Gmail Nutzers mitverantwortlich gemacht werden.

Durchsuchung des OpenLab in Augsburg

Hochnotpeinlich in doppelter Hinsicht wurde nach den Durchsuchungen bei den Vereinsvorständen in Augsburg, Jena, Dresden und Berlin als die Polizei das auch auch von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC) genutzte Augsburger OpenLab durchsuchte. Die Polizei interpretierte eine Zeichnung auf einem Whiteboard des Hackerspaces großzügig als Bombenbauanleitung und hielt die Chemikalien zum Platinen ätzen als konkrete Vorbereitung eines Sprengstoffattentats. Die zufällig Anwesenden wurden festgenommen und die Durchsuchung und Beschlagnahme von Technik wurde ohne Zeugen vorgenommen. Mit Gewalt wurden verschlossene Schränke geöffnet, in denen sich auch Mitgliederdaten und Kontoauszüge befanden.

Wie auch in vielen anderen Fällen haben wir wieder einen Fall, dass Menschen durch ihre zufällige Anwesenheit als "False Positives" schwerwiegende Einschnitte in ihrem Leben hinnehmen müssen und darum kämpfen müssen ihre Unschuld zu beweisen. Als weiteres Fazit bleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit ob der völlig willkürlichen Interpretation von Nicht-Zusammenhängen durch die Staatsgewalt - einmal durch die irrige Verbindung 'beliebige Mailadresse zum Spendenkonto eines Providers' und zum anderen 'chemische Flüssigkeit zu Bombenbau'.

Mehr dazu bei https://www.ccc.de/de/updates/2018/hausdurchsuchungen-bei-vereinsvorstanden-der-zwiebelfreunde-und-im-openlab-augsburg
und https://www.aktion-freiheitstattangst.org/events/2261-20180709.htm
und https://www.zwiebelfreunde.de/


Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/2Wc
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Tags: #Polizei #Hacking #Geodaten #Freizügigkeit #Unschuldsvermutung #Durchsuchungen #CCC #Zwiebelfreunde #Verhaltensänderung #Lauschangriff #Überwachung #Vorratsdatenspeicherung #Rasterfahndung
Erstellt: 2018-07-09 09:02:23
Aufrufe: 1397

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