23.12.2017 Anlasslose Massenüberwachung senkt Ermittlungserfolge drastisch

Anlasslose Massenüberwachung und der Satz von Bayes

Anlasslose Massenüberwachung ist genauso Realität wie der Satz von Bayes. Leider wird beides von der Mehrheit der Bevölkerung ignoriert. Der anlasslosen Massenüberwachung  hat das BVerfG mit seinem Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung (VDS) eigentlich eine endgültige Absage erteilt.

Trotzdem setzen Politiker mit dem Argument der notwendigen "Sicherheit" weiter darauf. Zumindest diese sollten sich den  Satz von Bayes genauer ansehen.

Christian Reinboth erklärt in seinem Wissenschaftsblog den Unsinn, der eigentlich Jedem, der schon mal die Stecknadel im Heuhaufen gesucht hat, bekannt ist mit einem Zahlenbeispiel: 

1) Von 71.000.000 Internetnutzer*innen sind nur 10.000 kriminell – 70.990.000 von ihnen verschicken also vollkommen harmlose E-Mails. Macht bei 10 E-Mails pro Tag insgesamt 709.900.000 harmlose E-Mails.

2) Von den 10.000 kriminellen Nutzer*innen werden insgesamt 100.000 E-Mails verschickt – davon aber nur 25.000 mit belastendem Inhalt (jede vierte E-Mail). Macht weitere 75.000 harmlose E-Mails.

3) Die Software prüft somit insgesamt 710.000.000 E-Mails (10 pro Nutzer*in), von denen 25.000 kritisch und 709.975.000 harmlos sind.

4) Von den 709.975.000 harmlosen E-Mails wird die Software fälschlicherweise 0,5% = 3.549.875 E-Mails als verdächtig einstuften.

5) Von den 25.000 kritischen E-Mails wird die Software korrekterweise 99,5% = 24.875 E-Mails als verdächtig einstufen.

6) Insgesamt stuft die Software also 3.549.875 + 24.875 = 3.574.750 E-Mails als verdächtig ein, von denen aber nur 24.875 E-Mails wirklich verdächtig sind.

7) Dies führt uns zu einer Trefferquote von gerade mal 0,69%. Obwohl also die Software eine verdächtige E-Mail mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5% als verdächtig einstuft, sorgt die Masse der “false positives” – der fälschlicherweise ebenfalls als verdächtig eingestuften, eigentlich aber harmlosen E-Mails – für eine eher unbefriedigende Situation, in der die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei einem konkreten Treffer tatsächlich um einen Kriminellen oder Terroristen handelt, deutlich unter 1% fällt.

Dieses für jede große Zahlenmenge anwendbare Beispiel zeigt für die 82 Millionen überwachten Menschen in Deutschland ein fatales Ergebnis: 

Durch die Ausdehnung der Überwachung auf Alle verringert sich die Aufklärungsquote auch durch die große Anzahl an False Positives, also falsch Verdächtigter, auf unter 1% und dass obwohl die (angenommene) Aufklärungsquote der Software bei tollen 95% lag. Die Politiker, die einfacher Statistik nicht mächtig, der Notwendigkeit einer anlasslosen Massenüberwachung das Wort reden, handeln fahrlässig und kontraproduktiv. Sie haben eine Mitschuld, wenn Terrorverdächtige nicht gefunden werden, weil sie das Raster über die ganze Bevölkerung spannen wollen statt in der Menge der "Verdächtigen" zu suchen. Wir alle kennen die Aussage, die bei sämtlichen Attentätern und Amokfahrern der letzten Jahre nahezu ausnahmslos der Fall war (“…war den Behörden bereits als Extremist bekannt…”).

Neben diesem ermittlungsgesteuerten Argument sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wir mit einer anlasslosen Massenüberwachung unsere eigenen Freiheits- und Grundrechte beschädigen und letztendlich aufgeben würden, so wie es der Wunsch irgendwelcher Terroristen sein mag.

Wir können glücklich sein, dass uns selbst die Mathematik lehrt, dass ein solches Tun nicht zu mehr Sicherheit führen kann - sondern diese maßlos verringert!

PS. Mögen die Politker den Satz von Bayes nicht gekannt haben, so sind sich die entscheidungsbefugten "Anwender" in den Polizei- und bei den Geheimdiensten dieser Tatsache wohl bewusst. Sie nehmen das zusätzliche Risiko eines "übersehenden Terroristen" in Kauf für die Möglichkeit auch mal diesen oder jenen Falschparker oder Graffitisprüher in ihrem Raster zu haben.

Mehr dazu bei http://scienceblogs.de/frischer-wind/2017/05/30/anlasslose-massenueberwachung-und-der-satz-von-bayes/
und der Satz von Bayes https://de.wikipedia.org/wiki/Satz_von_Bayes
und noch eine gute Darstellung des Satz von Bayes https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/digital/falsch-positive-machen-prognose-algorithmen-zum-problem-e716375/


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Erstellt: 2017-12-23 11:18:34
Aufrufe: 2131

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