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01.08.2017 Bürgerfahndung Südkreuz

Protest gegen Einführung von erkennungsdienstlicher Videoüberwachung

Wir wollen gegen die Einführung von erkennungsdienstlicher Videoüberwachung protestieren, die ab 1. August am Berliner Bahnhof Südkreuz erprobt werden soll - und das haben wir heute auch gemacht.

Kundgebung am Di., 1.8.17 von 15-18h
vor dem (West-) Eingang zum Bahnhof Südkreuz, Hildegard-Knef-Platz

Inhalt


Bericht von der Kundgebung und die ersten Bilder

3,5 Millionen BerlinerInnen hatten scheinbar was anderes zu tun als ihre Grundrechte zu verteidigen, aber immerhin 100 waren gekommen. Das übertrifft wenigstens unsere Anmeldedaten, wo wir 50 Teilnehmern angegeben hatte. Dazu kommen noch die etwas 500 Fahrgäste, die in der Zeit von 15 bis 17:30h den Bahnhof Südkreuz betreten oder ihn verlassen haben.

... to be continued - demnächst, z.B. wenn die Reden als Text vorliegen.

Geredet haben Vertreter von Grünen, Linken (Niklas Schrade), Der Partei und Piraten (Simon), sowie wir als Veranstalter.

Hier eine Sammlung von Videos von dem heißen Tag:

Hier die ersten Bilder von unserer Aktion, weitere werden folgen. Auch ein Video der Reden von AktivistInnen und Poltikern wird z.Zt. zusammengestellt.


Auspacken der Transparente bei 30° und Sonnenschein

Die ersten TeilnehmerInnen kommen zusammen. Es ist viel Presse vor Ort und Interviews werden aufgezeichnet.

Die Presse fragt nach unseren Beweggründen

Ein Interview jagt das nächste - aber warum ist davon nichts in den Medien zu sehen?

Eine Berliner Kandidatin der Grünen für die Bundestagswahl stellt ihre Ablehnung der Überwachung dar

Ein Berliner Abgeordneter der Linken hat das Wort

Diese Nase ist schon öfter mit einer Überwachungskamera zusammengestoßen ...

Noch ein Sender auf der Suche nach einem Interview

Ein Berliner Abgeordneter der Linken hat das Wort

"Freiheit statt Überwachung" - die Forderung ist nicht zu übersehen

Eine Kamera mit "menschlicher Intelligenz" macht auf die Gefahren der "künstlichen Intelligenz" aufmerksam

... und da oben hängt das Unheil - in diesem Moment "gut geerdet" durch ein Plakat ...

Die Kamera mit "menschlicher Intelligenz" vor dem Eingang zum Südkreuz

Hier ein Match zwischen "menschlicher Intelligenz" und "künstlichen Intelligenz"

Wie bei Frau Holle kann der Reisende hier noch wählen ob er als Goldmarie oder als Pechmarie durch den Bahnhof möchte. Hier der Eingang mit voller biometrischer Kontrolle

Hier der Eingang ohne biometrische Kontrolle. Spätestens an der Rolltreppe kommt dann die Ernüchterung. Wer nicht erkannt werden möchte muss die Treppe nehmen. Die Rolltreppe wird überwacht - sie eignet sich auch besonders für geschönte Ergebisse des Tests, denn darauf steht man still und die Software hat leichtes Spiel.

Durchleuchtet und erfasst - das soll unser Schiksal sein?
Nein!

Ja, das haben wir, denn wir sind Menschen!

... und noch ein paar Bilder

Aktion Freiheit statt Angst im Interview

Die Rede des Linken Abgeordneten Niklas Schrade.

Auf dem Banner "Stop Orwell 2020" sind alle Grundrechtsbrüche der letzten Jahre dokumentiert.

... erfassungsfrei ...

... voll erfasst ...

... erfassungsfrei ...

... voll erfasst ...

Die Rede von Canan Bayram von den Grünen.

Die Überwachung folgt auf Schritt und Tritt ...

... noch ein Interview ...

Worum geht es?

Ausbau der Videoüberwachung
Im Jahr 2016 stieg die Zahl der Bahnhöfe mit Videoüberwachung auf 900. Die Zahl der Kameras in den Bahnhöfen stieg im letzten Jahr von 5.000 auf 6.000 (+20%). Damit werden mehr als 80% der Fahrgastströme bei der Bahn erfasst.

Intelligente Videoüberwachung
Deutsche Bahn, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei wollen am Bahnhof Südkreuz eine Software zur Gesichtserkennung und Nachverfolgung von Personen erproben. Auf Ebene der Europäischen Union arbeitet das Bundesinnenministerium daran, die großen grenzpolizeilichen EU-Datenbanken ebenfalls mit Möglichkeiten zur biometrischen Gesichtserkennung auszustatten. Dies wird diese Datenbanken betreffen

  • Fingerabdrucksystem EURODAC
  • Visumsdatenbank VIS
  • Schengener Informationssystem.

Damit können zukünftig Gesichtsbilder von deutschen Bahnhöfen oder Flughäfen mit den europäischen Informationssystemen abgeglichen werden, denn die sogenannte „intelligente Videoüberwachung“ analysiert und erkennt Personen an Hand von Fotos in Datenbanken, z.B. die mit sämtlichen biometrischen Fotos unserer Ausweise und Pässe.
Nach der Kategorisierung von Videoüberwachungen ist dies eine der Stufe 3.

Es gibt folgende Kategorisierung:

  1. allg. beobachtende Überwachung,
  2. gezielte Personenüberwachung
  3. Personenerkennung

Das Projekt auf dem Bhf Südkreuz soll also eine Indect-ähnliche Videoüberwachung aufbauen und erproben. Indect war ein EU Forschungsprojekt, das „strafrechtlich relevante Bedrohungen präventiv erkennen“ sollte. Dazu verbindet INDECT Daten von Kamerabeobachtungen mit Daten aus dem Internet (Social Networks, Suchmaschinen, Foren usw.) und mit staatlichen Datenbanken. Im Ergebnis sollen potenzielle Straftäter (also du, lieber Leser) erkannt werden, bevor sie etwas tun. INDECT soll beurteilen ob wir uns normal oder abnormal verhalten. INDECT überwacht auf allen Ebenen, sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet mit der Folge uneingeschränkten Einblicks in unsere Privatsphäre.

Der Einsatz von Software-basierten computergestützten Analysen der Daten zur Gesichtserkennung und Nachverfolgung von Personen, also einem anlasslosen Bevölkerungsscan verletzt durch einen Gesichtsabgleich mit erkennungsdienstlichen Datenbanken den §27 des BpolG (Bundespolizeigesetz).

Tracking und Bewegungsprädiction

Im Vordergrund stehen bei dem Projekt Tests zum Zwecke des Abgleiches mit polizeilichen Datenbanken und die Selektion verdächtiger Verhaltensweisen und bestimmter äußerer Erscheinungsmerkmale, wobei am Anfang zuerst die gegenüber dem Projekt von 2006 im Mainzer Hauptbahnhof verbesserte Gesichtserkennung nachgewiesen werden muss.

Beginnen wird man deshalb im Bahnhof Südkreuz mit rund 80 Videokameras. Im Testbetrieb wird ein Abgleich mit einer Datenbank mit Gesichtsbildern freiwilliger Probanden verwendet.

Über den später geplanten Wirkbetrieb weiß auch die Projektleitung nichts genaues …

Aus der Antwort der Staatssekretärin Dr. Emily Haber auf eine Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko vom 27. Februar 2017 lesen wir:

Zu Umfang und Art der Datenbanken für die Erprobung wurden bisher noch keine endgültigen Festlegungen getroffen. Entscheidungen über einen etwaigen späteren Wirkbetrieb sollen im Anschluss an den Test erfolgen. Der Test weiterer Funktionalitäten intelligenter Videotechnik erfolgt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG. Der genaue Umfang ist noch nicht festgelegt.

Welche Gefahren?

Angeblich geht es, wie inzwischen üblich, um Terrorfahndung, praktisch soll die Verfolgung aller Vergehen bis zu Ordnungswidrigkeiten, also auch Schwarzfahrer, Sprayer, Obdachlose, Bettler, … möglich sein.

  • Die Datenerhebung erfolgt heimlich.
  • Es werden nicht nur die Personen überwacht, von denen eine Gefahr ausgeht.
  • Es fehlt jegliche Zweckbindung der erhobenen Daten.
  • Das Ergebnis wird eine große Zahl an False Positives sein, Unschuldige geraten ins Visier der Behörden. Daraus ergibt sich dann eine Umkehrung der Unschuldsvermutung, weil die „Beschuldigten“ den Vorwurf entkräften müssen.
  • Der Abgleich mit Biometrischen ePerso Fotos erfolgt nun entgegen den Zusicherungen bei Einführung dieser biometrischen Technik im Jahr 2003.

Was kann man tun?

Man kann sich auffällig schminken oder verkleiden, denn die Software bekommt Erkennungsprobleme, wenn man Hüte oder Bärte trägt.

Aber wir wollen uns nicht verkleiden und verstecken und wir können unseren Arbeitsweg nicht einfach verändern, um am Bahnhof Südkreuz nicht in die Erfassung zu geraten. Also müssen wir unseren Protest in die Öffentlichkeit tragen!

Schreibt eure Bedenken an die Datenschutzbeauftragten, eure Abgeordnete und die zuständigen Politiker.

Derzeit laufende ähnliche Projekte sind:

  • CAMINSENS - vernetzte Kamerasysteme zur in situ-Erkennung personeninduzierter Gefahrensituationen Netzwerk selbst-organisierender Sensoren (4 Kameras bauen aus 4 Perspektiven ein 3-D-Bild des Geschehens)
  • ASEV - Automatische Situationseinschätzung für ereignisgesteuerte Videoüberwachung
  • APFeL - Analyse zeitlich rückwärts- und vorwärts-gerichteter Videodatenströme
  • MuViT - sozialpsychologische, soziologische, ethische und rechtswissenschaftliche Analysen bei Mustererkennung und Video Tracking; nicht zufriedenstellend verliefen bislang die Versuche zur Erkennung einer „sich anbahnenden Situation mit Bedrohungspotential, wie es im Projekt geplant war.
  • MisPel - Bis 2014 forschte das Bundespolizeipräsidium mit der Polizei Hamburg zur Multi-Biometriebasierten Forensischen Personensuche in Lichtbild- und Videomassendaten. Getestet wurden Verfahren der Bildinhaltsanalyse zum Auffinden von Personen in Daten aus der öffentlichen Videoüberwachung. Das Verfahren wird inzwischen zum Lichtbildvergleich in Polizeidatenbanken genutzt.
  • ADIS - ist das Projekt automatisierte Detektion interventionsbedürftiger Situationen durch Klassifizierung visueller Muster. Es wurde speziell für den Einsatz an Bahnhöfen entwickelt.
  • INDECT - Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment - Mittels "Predictive Analytics" und "Relationship mining" sollen Risiken analysiert und Straftaten vorhergesehen werden. Teilnehmer waren 17 Institutionen aus 9 Ländern: Polizeien, Hochschulen und Privatfirmen.
  • ...

Die Flyer für die Aktion am 1.8. am Bahnhof Südkreuz können hier heruntergeladen werden. Verteilt sie an alle eure Freunde!


Vor dem Ausdrucken der Strichcodemaske ist natürlich darauf zu achten, eine individuelle Nummer in das Bild zu tun. Wir wollen ja nicht in der Masse untergehen. ;-))

Update 27.07.2017: Wir haben von "Gerüchten" gehört, dass unsere Kundgebung ausfällt. Nein! Das ist nicht so! Wir freuen uns auf den nächsten Di. 1.8. und werden von 15-18h am Bahnhof Südkreuz sein.
Wir freuen uns auf die Veranstaltung und möglichst viele Besucher. Also kommt vorbei!

Links und mehr dazu bei:

https://netzpolitik.org/2018/biometrische-ueberwachung-am-suedkreuz-zwischenbericht-bleibt-geheim/
http://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6037-20170518-nationale-datenbank-fuer-biometrische-fotos.htm
http://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/1917-indect.htm
https://netzpolitik.org/2017/ueberwachungslabor-berlin-suedkreuz-tracking-und-gesichtserkennung-geplant/
https://netzpolitik.org/2017/projekt-sicherheitsbahnhof-intelligente-videoueberwachung-am-berliner-suedkreuz-startet-im-herbst/
http://www.andrej-hunko.de/presse/3493-einsatz-von-bevoelkerungsscannern-an-bahnhoefen-ist-nicht-vom-bundespolizeigesetz-erlaubt
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/5924-20170223-intelligente-videoueberwachung-am-bahnhof-suedkreuz.htm
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/cgi-bin/searchartl.pl?suche=Video&sel=ueber
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Deutsche-Bahn-will-intelligente-Videoueberwachung-testen-3631191.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/BKA-2D-Foto-Fahndung-ist-nicht-einsatzfaehig-150068.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Deutsche-Bahn-will-intelligente-Videoueberwachung-testen-3631191.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Anti-Terror-Massnahmen-De-Maiziere-will-Gesichtserkennung-im-Bahnhof-3301256.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Streit-ueber-de-Maizieres-Plaene-fuer-mehr-Videoueberwachung-3361291.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Mobile-Ueberwachung-BKA-testet-automatisierte-biometrische-Gesichtserkennung-3660894.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Gesichtserkennung-per-Video-Bundespolizei-sucht-Berliner-Freiwillige-3746657.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Berliner-Test-fuer-Videoueberwachung-mit-Gesichtserkennung-soll-bald-starten-3684006.html
https://cvdazzle.com/
https://digitalcourage.de/blog/2017/selfiestattanalyse-masken-gegen-ueberwachung
https://digitalcourage.de/themen/videoueberwachung/wissenschaftliche-materialsammlung-wirkt-videoueberwachung


Updates

02.04.2018

Seit dem Begin des Projekts am Südkreuz versuchen viele Menschen mit Informationsfreiheitsanfragen Licht in die Geschehnisse zu bringen - bisher mit nur mäßigem Erfolg.
Es ist entlarvend, mit welchen "Argumenten" die Bundespolizei auf eine Anfrage nach den Informationsfreiheitsgesetz zur Auswertung der Gesichtserkennung am Südkreuz reagiert und eine Herausgabe von Daten weiterhin verweigert.
"(...) könnten durch die Übermittlung der erbetenen Daten Rückschlusse auf Standards und Systematik der Videoüberwachung und -aufzeichnung auf dem Gebiet der Eisenbahnen des Bundes (u.a. zu tageszeit-/lichtabhängigen Ergebnissen der Auswertung, zur Position der Videokameras sowie zum Bewegungsverhalten von Probanden) und damit auch auf die Möglichkeiten des künftigen Einsatzes von biometrischer Gesichtserkennung gezogen werden. Bei öffentlichem Bekanntwerden der entsprechenden Informationen bestünde mithin die Gefahr, dass Straftäter ihr Verhalten bei der Tatbegehung auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach diesen Erkenntnissen ausrichten könnten, um so einer Entdeckung zu entgehen. (...)"
Der ausführliche Briefwechsel unter https://fragdenstaat.de/anfrage/statistische-auswertung-der-gesichtserkennung-am-bf-suedkreuz/#nachricht-87178

Update 15.10.2018: Biometrische Videoüberwachung: Der Südkreuz-Versuch war kein Erfolg
Das stellt der CCC nach Studium des Abschlussberichts fest. https://www.ccc.de/en/updates/2018/debakel-am-suedkreuz
und mehr dazu bei Südkreuz Abschlussbericht muss zwischen den Zeilen gelesen werden

 


Kategorie[26]: Verbraucher- & ArbeitnehmerInnen-Datenschutz Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/2Nv
Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6104-20170801-buergerfahndung-suedkreuz.html
Link im Tor-Netzwerk: http://a6pdp5vmmw4zm5tifrc3qo2pyz7mvnk4zzimpesnckvzinubzmioddad.onion/de/articles/6104-20170801-buergerfahndung-suedkreuz.html
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Erstellt: 2017-07-10 09:23:19
Aufrufe: 10569

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