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28.11.2015 Grundrechte schleifen bis zur Unkenntlichkeit

Grundrechte, ihre Stärken und Schwächen in der Geschichte der BRD

Vor einigen Wochen hatten wir uns im Rahmen des bundesweiten "Lesen gegen Überwachung" mit den Überwachungspraktiken in der alten BRD beschäftigt und einige "Ähnlichkeiten" zur DDR gefunden.

Inhalt:


 

Vorbemerkung

Beim Stöbern in dem Buch Überwachtes Deutschland von Josef Foschepoth uns in alten Ausgaben des Grundgesetzes mussten wir einen stetigen Abbau des Grundrechte in der BRD in dem Maße feststellen, in dem die Alliierten (angeblich) ihre Besatzungsrechte aufgaben. Einen gravierenden Einschnitt bildete dabei die Notstandgesetzgebung 1968 und das G10-Gesetz. Mit einem "normalen" Gesetz werden Grundrechte, insbesondere das Postgeheimnis nach Art. 10, außer Kraft gesetzt.

Findet man im ursprünglichen Grundgesetz von 1949 noch ein unverletzliches Postgeheimnis, ein vollständiges Asylrecht, kein Militär, die Unverletzlichkeit der Wohnung und ...

... so wird mit jeder Grundgesetzänderung ein Abbau von Grundrechten betrieben.

Wie perfide man dabei vorgegangen ist, möchten wir an dem Beispiel des Grundrechtsabbau von 1968 darstellen.

Notstandsgesetzgebung - Grundrechtsabbau von 1968

"Im Strafgesetzbuch befand sich vom 1. Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 bis zum 8. Strafrechtsänderungsgesetz im Juni 1968 - man beachte die zeitgleiche Beratung und Beschlussfassung mit der Notstands- und Überwachungsgesetzgebung - ein § 100 (Landesverrat), der im dritten Absatz folgende bemerkenswerte Regelung enthielt:

Ein Abgeordneter des Bundestages, der nach gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage und sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen, sich für verpflichtet hält, einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder eines Landes im Bundestag oder in einer seiner Ausschüsse zu rügen, und dadurch ein Staatsgeheimnis öffentlich bekannt macht, handelt nicht rechtswidrig, wenn er mit der Rüge beabsichtigt einen Bruch des Grundgesetzes oder der Verfassung eines Landes abzuwehren. (BGBl 1951, S.742)

Dieser Paragraph wurde 1968 ersatzlos gestrichen, nachdem sich die Besatzungsmächte und die Bundesregierung bereits 1954 im Truppenvertrag darauf verständigt hatten, dass die Abgeordneten-Regelung auf militärische Geheimnisse, keine Anwendung findet. (BGbl II, 1955 Anhang A und B zum Truppenstatut, S.373)
Da für die Amerikaner alle geheimdienstlichen Geheimnisse militärische Geheimnisse waren und sind, galt und gilt diese Regelung auch und vor allem für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, des E-Mail- und Internetverkehrs und welcher Form der elektronischen Kommunikation auch immer." (Foschepoth, S. 136)

Da können wir uns nur den Folgerung von Josef Foschepoth anschließen, der zu dieser Ungeheuerlichkeit feststellt, dass "ein Staat dessen Gerichte von einer unabhängigen Kontrolle per Gesetz und Verfassung ausgeschlossen sind, und deren Parlamentarier sogar ein Verfahren wegen Landesverrats riskieren, wenn sie ein geheimdienstliches Geheimnis öffentlich machen, um einen Bruch des Grundgesetzes zu verhindern, ein solcher Staat hat in Sachen Überwachung zu geheimdienstlichen Zwecken seinen freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Charakter verloren und ist ein Überwachungsstaat geworden."

Whistleblower in der Sicherheitspolitik, Dieter Deisenroth, Annegret Falter, S135-138

NATO Zusatzvereinbarung - eine Hintergehung der Grundrechte

Abschließend möchten wir dazu noch ein "Schmankerl" zitieren: Die Nichtvereinbarkeit der Zusatzvereinbarung mit geltenden rechtstaatlichen Prinzipien

Artikel 38 des Zusatzvertrags zum NATO-Truppenstatut verpflichtet bis heute zur Gleichbehandlung alliierter und deutscher Amtsgeheimnisse und zu strikter Geheimhaltung. Droht ein derartiges Geheimnis etwa im Rahmen eines Gerichtsverfahrens bekannt zu werden, ist der amerikanische Geheimdienst befugt, unmittelbar auf die deutsche Justiz einzuwirken. Erhebt die NSA in einem derartigen Fall Einwände, "so trifft das Gericht oder die Behörde alle in ihrer Macht stehenden Maßnahmen ..., um die Preisgabe zu verhüten". Foschepoth, Überwachtes Deutschland, Dokument 8, S. 284

Hieraus ergibt sich die dritte, wohl wichtigste Konsequenz hinsichtlich der Wiederherstellung verfassungsrechtlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien: Die im Mai 1968 beschlossene Änderung von Artikel 10 GG muss dringend revidiert werden. Der damals ergänzte Absatz 2 dürfte nach heutiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - im Unterschied zur 5:3-Entscheidung von 1970 - eine gewisse Chance haben, als verfassungswidrig zurückgewiesen zu werden. Und zwar wegen der Bestimmung, dass Überwachungsmaßnahmen zu geheimdienstlichen Zwecken „dem Betroffenen nicht mitgeteilt" zu werden brauchen und „dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt." (Foschepoth, Überwachtes Dt., Dok. Nr 36, S.322f)

Die Nichtinformation der Betroffenen und die Ausschaltung des Rechtsweges sind ihrem Wesen nach verfassungswidrig. Mit Beschluss zur „Neuregelung strafprozessualer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen" vom 7. Dezember 2011 stellte das Bundesverfassungsgericht fest:

"Der Anspruch auf Benachrichtigung von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen effektiven Grundrechtsschutzes. Ohne zumindest nachträgliche Kenntnis können die Betroffenen weder eine Unrechtmäßigkeit der durchgeführten Ermittlungsmaßnahme noch etwaige Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Genugtuung geltend machen."

Fazit

Nach dem "Lesen gegen Überwachung" haben wir uns erneut zusammen gesetzt und versucht die Zusammenhänge in dieser fernen Vergangenheit zu verstehen. Es hat uns die Augen geöffnet und wir werden das Thema weiter verfolgen.

... to be continued


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Erstellt: 2015-11-28 16:09:50
Aufrufe: 2511

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