09.07.2012 Schwarz-Gelb macht unsere Daten zur Ware

Protest und Petition gegen das neue Melderechtsrahmengesetz

Wir protestieren energisch gegen die unverfrorene Dreistigkeit mit der diese Gesetzesänderung der Werbewirtschaft Tür und Tor öffnet.

Wird dieses schwarz-gelben Gesetz gültig, wird der Datenschutz in Meldeämtern faktisch abgeschafft. Diese dürften künftig Adressdaten von Bürger/innen verkaufen, ohne dass die betroffenen Personen dies verhindern können.Es gibt weder eine vernünftige Opt-In Regelung noch überhaupt ein Widerspruchsrecht, das seinen Namen verdient.

Unterschreibt die Petition bei Campact!
oder bei avaaz!


Es geht auch anders - aus diesem Grund dokumentieren wir hier den Diskussionsentwurf der Schleswig-Holsteiner Piraten mit folgenden Forderungen:

Entwurf eines Entschließungsantrags zum Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG):

    Der Landtag wolle beschließen:

    Der Landtag ersucht die Landesregierung, das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) im Bundesrat abzulehnen, solange nicht

    1. die Datenübermittlung und -nutzung zu Zwecken der Werbung, des Adresshandels und der Parteiwerbung sowie Auskünfte über Alters- und Ehejubiläen von der Einwilligung des Betroffenen abhängig gemacht wird,
    2. der Zwang zur Vorlage einer Vermieterbescheinigung, das Kontrollrecht (Rückfragerecht) des Vermieters sowie die Auskunftspflicht des Vermieters gestrichen wird,
    3. die Hotel-Meldepflicht abgeschafft wird, soweit dies rechtlich möglich ist,

    4. erweiterte Melderegisterauskünfte von der Darlegung eines rechtlichen Interesses abhängig gemacht werden, 

   5. das Widerspruchsrecht gegen eine Melderegisterauskunft an Private über das Internet bestehen bleibt und ein Widerspruchsrecht gegen sonstige einfache Melderegisterauskünfte an Private eingeführt wird, 

   6. die Übermittlung der Daten von Personen, die nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft sind, an Religionsgemeinschaften unterbleibt,

    7. das automatisierte Abrufverfahren auf inländische Polizeibehörden
beschränkt bleibt,

    8. die Pflicht zur Vorlage eines Personaldokuments bei der persönlichen Anmeldung gestrichen wird,

    9. die Daten weggezogener oder verstorbener Personen spätestens nach fünf Jahren gelöscht werden.

    Begründung:

    Die in Deutschland von Monarchien des 19. Jahrhunderts eingeführte und von den Nationalsozialisten vorangetriebene polizeiliche Erfassung aller Menschen stellt ein hoch problematisches Erbe von Obrigkeitsstaaten dar. Mit guten Gründen werden Einwohnerregister von anderen Demokratien entschieden abgelehnt.

    Obwohl die Datenschutzbeauftragten seit Jahren eine Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts im Meldewesen fordern, geht das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) in vielen Punkten in die gegenteilige Richtung. Durch Ablehnung des zustimmungspflichtigen Gesetzes im Bundesrat sollte an dem bisherigen Melderecht festgehalten werden, solange nicht einschneidende Änderungen vorgenommen werden.

    Zu 1. (Datenübermittlung und -nutzung zu Zwecken der Werbung, des Adresshandels und der Parteiwerbung sowie Auskünfte über Alters- und Ehejubiläen):

    Polizeilich zwangsweise erhobene Daten dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen nicht für Zwecke der Werbung, des Adresshandels, der Parteiwerbung oder der Auskunft über Alters- und Ehejubiläen zweckentfremdet werden. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben seit ihrer Entschließung vom 05./06.10.1998 immer wieder gefordert, generell eine Einwilligungslösung vorzusehen. Die bislang bestehenden Widerspruchsregelungen sind vielen Bürgerinnen und Bürgern trotz Verpflichtungen, auf Widerspruchsmöglichkeiten bei der Anmeldung sowie durch öffentliche Bekanntmachung hinzuweisen, nicht bekannt.

    Zu 2. (Vermieter als “Blockwart”):

    Dass Vermieter einen Ein- oder Auszug künftig bestätigen sollen, ist abzulehnen. Es fehlen belastbare Zahlen und Erkenntnisse, dass diese Vorgabe tatsächlich geeignet ist, um Scheinanmeldungen zu verhindern. Die Abschaffung der Auflage vor einigen Jahren ist gerade mit der Begründung erfolgt, dass die von den Bürgern als lästig empfundene Regelung wenig Nutzen gebracht hat. Die Abschaffung der Meldepflicht des Vermieters im Jahr 2002 ist damit begründet worden, dass der Gesetzgeber damit die Konsequenz aus der meldebehördlichen Praxis ziehe, nach der die Vermietermeldepflicht von den Bürgerinnen und Bürgem als lästig empfunden werde, zu Verzögerungen bei dem Meldeprozess führe, aber nur
in den wenigsten, von der Zahl her zu vernachlässigenden Fallen geeignet sei, beispielsweise Scheinanmeldungen zu verhindern. Einbußen bei der Registerqualitat können daher ausgeschlossen werden (BT-Drs. 14/7260, S. 15).

    Zu 3. (Hotel-Meldepflicht):

    Abzulehnen ist auch das Festhalten an der Hotelmeldepflicht. Die Datenschützer von Bund und Ländern fordern seit langem deren Abschaffung für deutsche Gäste, da die hiermit verbundene millionenfache Datenerhebung auf Vorrat unverhältnismäßig ist. Reisende können nicht schlechthin als Gefahrenquellen oder (potentielle) Straftäter angesehen werden.Ein etwaiger Nutzen für einzelne steht außer Verhaltnis zu der breitflächigen Datensammlung.

    Zu 4. (Erweiterte Melderegisterauskunft):

    Durch erweiterte Melderegisterauskunft können Privatpersonen und Unternehmen sensible Angaben über unsere Familie oder sonstige private Verhältnisse erlangen. Die Voraussetzung eines “berechtigten Interesses” reicht vor diesem Hintergrund nicht aus. Mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten ist vielmehr ein “rechtliches Interesse” an der begehrten Auskunft zu fordern. Die Verwaltungspraxis zeigt, dass
es ohnehin ganz überwiegend Fälle eines rechtlichen Interesses sind, in denen erweiterte Melderegisterauskünfte beantragt werden.

    Zu 5. (Melderegisterauskünfte über das Internet und “einfache” Auskünfte):

    Bislang kann man der Übermittlung seiner Meldedaten an Private über das Internet widersprechen. Um sich gegen eine unkontrollierte Weitergabe solcher über das Internet  abgerufener Daten schützen zu können und weil beim Internet-gestützten Abruf die Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange Betroffener nicht möglich ist, war bisher – im Einklang mit der Entschließung der 61. Datenschutzkonferenz – ein
Widerspruchsrecht vorgesehen. Dieses bleibt wichtig, weil im Internet abgerufene Daten im Anschluss einem weit höheren Datenverlust- und Weiterverbreitungsrisiko ausgesetzt sind als in Papierform erteilte Auskünfte.

    Im Anschluss an den Bundesdatenschutzbeauftragten ist ferner zu fordern, bei der einfachen Melderegisterauskunft ein generelles, nicht auf den Abruf über das Internet beschränktes Widerspruchsrecht des Betroffenen einzuführen, solange nicht im Einzelfall ein rechtliches Interesse an der Auskunft dargelegt wird. Zum Wesen des informationellen Selbstbestimmungsrechts gehört es, dass jeder weiß, was mit seinen Daten geschieht, und dass er über deren Verwendung selbst bestimmen kann. Da die Grunddaten des Meldepflichtigen nahezu uneingeschränkt zur Verfügung stehen, bedarf es eines Korrektivs mindestens in Form eines Widerspruchsrechts. Dies gilt umso mehr, als es sich hier um für hoheitliche Aufgaben zwangsweise erhobene Daten handelt.

    Zu 6. (Religionsgemeinschaften):

    Nach dem Gesetzentwurf sollen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften auch Daten von solchen gemeldeten Personen übermittelt werden, die nicht Mitglied dieser Religionsgemeinschaften sind, sondern nur Familienangehörige von Mitgliedern. Ein schutzwürdiges Interesse der Religionsgemeinschaften an der Übermittlung solcher Daten ist nicht erkennbar. Die Erhebung von Kirchgeld vermag eine solche Berechtigung nicht zu begründen, handelt es sich insoweit doch nur um
das Verhältnis zwischen dem Mitglied der Religionsgemeinschaft und der Religionsgemeinschaft selbst. Soweit dafür Daten der Familienangehörigen
des Mitglieds erforderlich sind, mag die Religionsgemeinschaft sich an das Mitglied halten.

    Zu 7. (Automatisiertes Abrufverfahren):

    Während bislang nur schleswig-holsteinische Polizeibehörden direkten Online-Zugriff auf die Meldedaten der Bürger hatten, sollen künftig sämtliche Polizeibehörden des Bundes und der Länder, Staatsanwaltschaften, Amtsanwaltschaften, Gerichte, Justizvollzugsbehörden, Nachrichtendienste, Zollfahndungsdienst, Hauptzollämter, Finanzbehörden und weitere durch Gesetz bezeichnete Behörden über das Internet zugriffsberechtigt sein. Dies droht den
Charakter des Melderegisters in einen multifunktionalen Informationspool für weite Teile der Verwaltung zu ändern. Ein automatisiertes elektronisches Abrufverfahren entgrenzt den Zugriff auf die persönlichen Verhältnisse der Bürger. Um den Ausnahmecharakter einer staatlichen Personenüberprüfung abzusichern, muss die Beschränkung des direkten Online-Zugriffs auf polizeiliche Eilfälle erhalten bleiben.

    Zu 8. (Pflicht zur Vorlage eines Personaldokuments):

    Wie bisher soll es dem pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Beamten überlassen bleiben, ob er zur Identifizierung des Bürgers die Vorlage eines Personaldokuments verlangt oder nicht. Bei persönlich bekannten Bürgern stellte eine Vorlagepflicht eine unnötige Schikane dar.

    Zu 9. (Speicherdauer):

    Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist die Aufbewahrung der Daten abgemeldeter Bürger auf fünf Jahre zu begrenzen. Nach Ablauf dieser Frist ist ein berechtigtes Interesse an der Abfrage nicht mehr aktueller Daten nicht ersichtlich.


Kategorie[26]: Verbraucher- & ArbeitnehmerInnen-Datenschutz Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/1T8
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Tags: #Aktivitaet #Melderechtsrahmengesetz #Verbraucherdatenschutz #Scoring #Werbung #schwarz-gelb #Widerspruch
Erstellt: 2012-07-09 13:52:33
Aufrufe: 2642

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