24.04.2009 Gesetzesentwurf zum Staatsschutzstrafrecht höhlt als "Carte blanche" den Rechtsstaat aus

Der Rechtsausschuß des Bundestages beriet am Mittwoch, den 22.04.09, das von CDU/SPD eingebrachte "Gesetz zu Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten"{footnote}http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612428.pdf{/footnote} . Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ bewertet diesen Gesetzentwurf, der bereits am 29. Januar 2009 in erster Lesung in Parlament diskutiert wurde, sehr kritisch und fordert das Bundesjustizministerium und die Regierung auf, den Entwurf zurückzuziehen.

Das Aktionsbündnis stellt die Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihre Notwendigkeit infrage. Darüber hinaus stellt dieser Vorstoß nach Ansicht des Aktionsbündnisses ein nicht unerhebliches Potenzial zur Unterwanderung des Rechtsstaats durch schleichende Entwertung der Unschuldsvermutung dar. Weiterhin steht die strafrechtliche Verfolgung von Ideen und Kommunikation in klarem Widerspruch zu Meinungsfreiheit, Bildungsfreiheit und Religionsfreiheit. Darüber hinaus hält das Aktionsbündnis den Gesetzesentwurf als einen weiteren Versuch, den Ermittlungsbehörden eine "Carte blanche" zur Überwachung beinahe beliebiger Personenkreise quasi ohne handfeste Verdachtsmomente.


Der Pressesprecher vom "Aktionsbündnis Freiheit statt Angst" erklärt: "Das Bundesjustizministerium überschreitet mit diesem Gesetzesentwurf Grenzen, die bis dato vom Gesetzgeber zu Recht unangetastet geblieben sind. Ideen, Kommunikation und Bildung unter kaum definierbaren Umständen zu kriminalisieren ist für diese Gesellschaft untragber."

Unter den Gesichtspunkten der Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kann dieser Gesetzentwurf nur schädlich sein. Hinzu kommt, das von Experten die juristische Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Regelungen sehr kritisch bewertet wird.

"Herr Ziercke vom BKA will wegen ca. 140 Menschen, die angeblich in den letzten 10 Jahren in sog. "Terrorcamps" waren, ein Gesinnungsstrafrecht samt Präventivhaft quasi auf Basis von mehr als vagen Verdachtsmomenten installieren. Das kann und darf unser Rechtsstaat nicht hinnehmen!", mein Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Aktionsbündnis, der der Anhörung im Bundestag beiwohnte und ergänzt: "Wenn diese 140 Personen bekannt sind und offenbar permanent gut überwacht, dann zeigt doch gerade dies, wie effektiv der Rechtsstaat funktioniert, sodaß er frühzeitig eingreifen kann, wenn diese Menschen tatsächlich die Vorbereitung eines Verbrechens beginnen."

Das Ziel des Entwurfs ist, drei weitere Straftatbestände zu schaffen, um Vorbereitungshandlungen von terroristischen Gewaltakten „noch gezielter strafrechtlich erfassen zu können“{footnote}http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612428.pdf{/footnote} . Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ ist der Meinung, dass die vorgeschlagenen Verschärfungen des bestehenden Staatsschutzstrafrechts nicht effektiv sind, da sie weder eine abschreckende Wirkung entfalten, noch juristisch umsetzbar sind. Weiterhin besteht aus unserer Sicht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, da das bereits vorhandene Instrumentarium vollkommen ausreicht, um sowohl die Vorbereitungshandlungen strafrechtlich zu erfassen als auch den Straftäter, der einzeln und „ohne Bezug zu einer terroristischen Vereinigung“ {footnote}http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612428.pdf{/footnote} arbeitet.

Darüber hinaus schränkt dieser Entwurf die Bürgerrechte jedes Einzelnen massiv ein, indem durch die Hintertür die die Möglichkeit zur „Gesinnungsjustiz“ durch juristisch kaum nachweisbare Absichtsbedingungen geschaffen wird. Der Entwurf geht sogar so weit, Informationsaustausch, Kommunikation, Ausbildung und letztendlich Meinung zu kriminalisieren, indem die Absicht, eine Tat zu begehen ausreicht, um alltägliche Handlungen unter Strafe zu stellen. Das richtige Ziel der Vereitelung terroristischer Gewaltakte rechtfertigt unserer Meinung nach nicht einen solchen Einschnitt in die Freiheitsrechte der deutschen Bürger und steht in krassem Widerspruch zum Geist unserer Verfassung.

Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ stellt die Effektivität der Maßnahmen infrage:


Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ stellt auch infrage, dass die zusätzlichen Straftatbestände das Instrumentarium des Staatsschutzes verbessern. Die Vergangenheit zeigt, dass die Ermittler glücklicherweise schon jetzt durchaus in der Lage sind, potenzielle Attentäter aufzuspüren und Attentate zu verhindern. Das gibt auch die Pressemitteilung des BMJ zu: „Nicht zuletzt auch dank des engagierten Einsatzes der Sicherheitsbehörden ist es gelungen, geplante Anschläge in Deutschland bislang zu vereiteln.“{footnote}http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612428.pdf{/footnote} Unter diesem Eindruck erscheint der von Frau Bundesjustizministerin Zypries als dringlich eingestufte Handlungsbedarf sehr fraglich.

Das bestehende, durch das Strafgesetzbuch definierte Instrumentarium reicht aus, um Gewaltverbrecher zu verfolgen, aber auch um das Bauen von Bomben, den Besitz von Waffen und weitere Vorbereitungshandlungen zu bestrafen. Weitergehende Straftatbestände sind weder notwendig noch sinnvoll. Insbesondere das Argument, dass Einzeltäter ohne Bindung zu einer Terrororganisation mit Hilfe der vorgeschlagenen Instrumente besser erfasst werden, ist vor dem Hintergrund der bestehenden rechtsstaatlichen Mittel nicht haltbar.

Unsere Hauptkritik besteht aber darin, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen eine Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte mit sich bringt, die weder in irgendeinem Verhältnis zum erwartbaren Nutzen steht, noch den Grundsätzen des deutschen Rechtsstaats genügen. Die Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen unter der Zuhilfenahme von Vorsätzen und Absichten wird sowohl die Staatsanwaltschaft als auch den jeweils Verdächtigen vor massive Probleme in der Beweisführung bringen. Ein Verdächtiger, gegen den Indizien sprechen, der aber tatsächlich unschuldig auch im Sinne der angestrebten Neufassung des Staatsschutzstrafrechts ist, wird keine Möglichkeit haben, das Gegenteil zu beweisen, denn die Nichtexistenz des Vorsatzes lässt sich kaum aus dem Kopf desjenigen extrahieren. Das ist ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Funktionsweise des deutschen Rechtsstaats, der immer noch von der Unschuldsvermutung ausgeht und ausgehen muss.

Darüber hinaus bereitet der Gesetzentwurf den Boden für politische Straftatbestände, indem Vorsätze zum eigentlichen Gegenstand der Strafverfolgung werden. Politische Ziele sind zwangsläufig Absichtserklärungen. Das Gesetz regelt zwar, dass staatsgefährdende Absichten in Verbindung mit einer Gewalttat zugrunde liegen müssen, um in anderem Kontext harmlose Vorbereitungshandlungen strafbar zu machen. Aber das Gesetz regelt nicht, was eine staatsgefährdende Absicht ist. Um eine Polemik zu gebrauchen: Ist eine Parteigründung, die das Ziel hat, die Macht zu übernehmen, eine staatsgefährdende Aktion? Und wie viel Gewaltabsicht ist notwendig, um dieses Gesetz greifen zu lassen?


Weiterhin verwehrt der Gesetzentwurf einem potenziellen Gewalttäter die Möglichkeit, als vernunftbegabter Mensch während der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat die eigene Meinung zu ändern und sich gegen die Ausführung der Tat zu entscheiden. "Vorbereitende Überlegungen" im Vorfeld einer Vorbereitungshandlung zu einer Tat führen nicht zwingend zu ihrer Ausführung. Die Vor-Verurteilung einer solchen Tat kommt einer Kriminalisierung von Gedanken gleich und kann nicht mit den im Grundgesetz verankerten Rechten der Bürger vereinbar sein.

Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ ist der Meinung, dass der Staat seinen Bürgern gegenüber eine Schutzpflicht hat und die notwendigen Mittel braucht, um dieser Schutzpflicht nachzukommen. Trotzdem kann ein Staat seine Bürger nicht vor allen Eventualitäten schützen. Dies zum Ziel des Staates zu machen muss unweigerlich zur vorbeugenden Allgemeinüberwachung führen, in der jeder einzelne Bürger ein potenzieller fanatisierter Gewalttäter ist. Wohin die Überwachung und Bespitzelung der Bürger eines Staates führe, hat die jüngere und jüngste deutsche Geschichte bereits eindrucksvoll gezeigt. Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ wehrt sich gegen Konzepte, die uns in diese Richtung manövrieren.

Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ betont, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt bleiben muss. Welche Sicherheit will der Staat erreichen, welche Rechte muss man dafür einschränken? Stimmt die Balance? Die "Aktion Freiheit statt Angst e.V. (i.Gr.)“ glaubt, dass diese im vorgelegten Gesetzentwurf nicht stimmt. Die Abwägung zwischen Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern gekoppelt mit der Einschränkung der Grundrechte (insbesondere der Freiheitsrechte) und dem Lebensrisiko, das jeder Mensch trägt, darf nicht in der Abschaffung der Freiheitsrechte enden. „Wer grundlegende Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ Dieser Satz von Benjamin Franklin ist heute aktueller denn je. Der Staat kann und muss vor vielem schützen, aber ein vollständiger Schutz ist unmöglich und die Suggestion dessen ein gefährliches Spiel mit dem Vertrauen der Bürger in ihre Ordnungsmacht.



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Erstellt: 2009-04-24 14:12:18
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