Zensurgesetz im Bundeskabinett beschlossen
Trotz massiver verbaler Auseindersetzungen auf der Pressekonferenz zwischen Familienministerin von der Leyen und Justizministerin Zypries hat das Bundeskabinett das umstrittene Gesetz zu Internetsperren beschlossen.
"Beinahe hilflos muss der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mitanhören und mitansehen, wie seine beiden Kabinettskolleginnen Ursula von der Leyen (CDU) und Brigitte Zypries (SPD) sich - immer lächelnd - eine gute Dreiviertelstunde lang angiften, anätzen und, mal unterschwellig, mal offensichtlich, gegenseitig die Kompetenz absprechen. Augenrollen inklusive.
Nicht mal in Fachfragen sind sich die beiden Ministerinnen einig. Etwa in der Frage der möglichen Strafverfolgung. Zypries erklärt: Der Gesetzentwurf lässt zu, dass Ermittler mittels der IP-Adressen verfolgen können, wer versucht, auf gesperrte Seiten zu gelangen. Allerdings würden die Daten nicht gespeichert. Die Ermittler könnten jedoch stichprobenartig in Echtzeit versuchte Seitenzugriffe beobachten und dann zur Anzeige bringen.
Von der Leyen hingegen sagt, die Ermittler würden in der Lage sein, Verhaltensmuster einzelner Nutzer zu erkennen. Wer also öfter auf eine Seite zugreift, wird eher mit Strafverfolgung rechnen müssen, als der, dessen IP-Adresse nur einmal zufällig auftaucht. Das aber würde die Speicherung der Daten voraussetzen, die Zypries gerade ausgeschlossen hat."
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/348/465933/text/
Die Kritik am Gesetz findet sich neben unseren Pressemitteilungen zu dem Thema auch bei http://netzpolitik.org/2009/bundesregierung-beschliesst-zensurgesetz/ und http://netzpolitik.org/2009/zypries-hier-ist-scheisse-einmal-so-gesagt-zensursula/ :
Die Kritik richtet sich derzeit vor allem auf drei Aspekte:
- Die Bundesregierung geht von falschen Tatsachen bezüglich eines Massenmarkte für Kinderpornografie und der Verbreitungswege aus.
- Die Sperren sind unwirksam und daher zunächst reine Symbolpolitik zu Beginn der Wahlkampfsaison. Mittelfristig ist aber mit einer Verschärfung der technischen Zugangserschwernisse zu rechnen, etwa durch DPI-Filter und ähnliches. Daher ist dies der Einstieg in eine Zensur-Infrastruktur.
- Die Sperrlisten werden vom BKA zusammengestellt, das damit Ermittler, Ankläger und Richter in einem ist - ohne demokratische oder gerichtliche Kontrolle. Zudem soll es die Zugriffe auf die gesperrten Seiten bei den Providern abfragen dürfen.
Justizministerin (!) Brigitte Zypries hat in der Pressekonferenz gleich noch die Unschuldsvermutung abgeschafft für Leute, die aus Versehen oder als Opfer einer gezielten Falle auf die Stopp-Seiten geraten:
"Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe."
Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/143
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Erstellt: 2009-04-23 07:38:09 Aufrufe: 2752
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