12.05.2011 KFN Fragebogen - Problematische Befragung

DGB-Jugend kritisiert SchülerInnen-Fragebogen zur Gewalterfahrung

Die Zeitschrift der GEW Berlin, 02/2011 berichtet ausführlich über die problematische Befragung von Schülern mittels des KFN Fragebogens. Die DGB Jugend hat zu diesem Fragebogen eine Stellungnahme herausgegeben:

Stellungnahme der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg

Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) führt derzeit eine quantitative Studie durch, die sich mit Gewalterfahrungen und -verhalten von Berliner SchülerInnen beschäftigt. Der Fragebogen geht an SchülerInnen der 9. Klasse und hat einen Umfang von 33 Seiten. Die Fragen drehen sich um Gewalt, Gewalterfahrungen, (politische) Einstellungen, Religionszugehörigkeit, Vereinsmitgliedschaft, Freizeitgestaltung, Unterrichtszufriedenheit und vieles mehr. Welches Ziel diese Studie verfolgt und ob es sich um Auftragsforschung handelt, ist dabei unklar. Die Internetseite des Forschungsinstituts listet dieses Forschungsprojekt nicht auf.

Dennoch existiert dieser Fragebogen und hat eine überaus problematische implizite Zielsetzung. Die Fragen stellen eine Kausalität zwischen Religion, Herkunft und Kriminalität her. Ausgehend von einer konstruierten »deutschen Leitkultur« und »normalen Wertvorstellungen« werden Abweichungen formuliert und laden in einem geschlossenen Fragesystem geradezu dazu ein, Stereotype abzurufen.

Selbst Mutmaßungen haben in dieser Erhebung Platz, wird doch zum Beispiel in dem Block zu eigenen Gewalterfahrungen nach der Nationalität von TäterInnen gefragt. Offen bleibt, ob Jugendliche ihre AngreiferInnen nach der Staatsbürgerschaft fragen oder einfach am Aussehen festmachen sollen, welcher Nation die TäterInnen angehören.Von einer ergebnisoffenen Studie kann da keine Rede sein. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten implizieren bereits einen Zusammenhang von Kriminalität und Migration und stigmatisieren Menschen mit Migrationshintergrund und nichtchristlicher Religionszugehörigkeit als Abweichungen von der »Normalität« und per se kriminell.

Nicht gefragt wird hingegen nach sozialen Phänomenen oder Missständen wie z.B. Ausbildungschancen, Elterneinkommen oder Aufenthaltsstatus. Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen werden vor allem im Zusammenhang mit ethnisierten Personendaten abgefragt.

Die strukturelle Benachteiligung migrantischer Bevölkerungsgruppen wird dabei komplett ignoriert bzw. nicht erfasst. Die Art der Befragung heizt nicht nur die von Sarrazin, Merkel und Co initiierte Integrationsdebatte an, sondern reproduziert Vorurteile und rassistische Stereotype. Darüber hinaus ist es durchaus fraglich, ob eine sinnvolle Datenerhebung zu Gewalterfahrung und Lebenswelten von Jugendlichen überhaupt mit einem einfachen Fragebogen zu realisieren ist.

Hinzu kommt, dass die zum Teil strafrechtlich relevanten Fragen personalisiert erhoben werden. Die Jugendlichen werden dazu angehalten, ihre Klassenbuchnummer im Fragebogen anzugeben. Da in der Regel nur eine Klasse pro Schule befragt wird, sind diese Nummern sehr leicht zuordenbar. Die im Fragebogen zugesicherte Anonymität ist unter diesen Umständen keineswegs gewährleistet. Im Gegenteil könnten Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz durchaus ein nachvollziehbares Interesse an der Weitergabe der Daten haben und diese nutzen wollen.

Schließlich ist der Fragebogen für die vorgesehene Altersstufe nicht nur zu lang, sondern auch sehr voraussetzungsvoll und schwierig. Komplizierte Formulierungen, schwammige Begriffsverwendung und vage Fragen lassen viel Raum für »Quatschantworten« und Missverständnisse. Bei einem Fragebogen, der bei Jugendlichen so plump delinquentes Verhalten abfragt, ist mit starken Ergebnisverzerrungen zu rechnen, denn die Art der Erhebung motiviert geradezu, falsche Antworten zu geben oder Einschätzungen zu überspitzen.

Quelle: GEW Berlin, Nr. 02 / 2011: Problematische Befragung, http://www.gew-berlin.de/blz/21667.htm

Mehr über unsere Kampagne gegen den KFN Fragebogen hier /kampagnen/kfn-fragebogen-berlin


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Tags: #Kampagne #KFNFragebogen #GEW #Berlin #Gewalt #Schueler
Erstellt: 2011-05-12 08:14:11
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