24.03.2011: Aufklärungsrate ohne Vorratsdatenspeicherung überaus hoch
Nach der kürzlich vorgelegten Kriminalstatistik für das Jahr 2010 zeigt sich, dass nach dem Ende der anlasslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten die Zahl der registrierten Internetdelikte sinkt und die Aufklärung sogar überdurchschnittlich erfolgreich gestiegen ist.Dies nimmt der AK Vorrat zum Anlass für eine Presseerklärung, die wir hier dokumentieren:
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Polizeistatistik NRW: Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung wäre maßlos (21.03.2011)
Die jetzt vorliegende Kriminalstatistik[1] des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen enthüllt: Nach dem Ende der anlasslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten sinkt die Zahl der registrierten Internetdelikte. Die Aufklärung ist überdurchschnittlich erfolgreich. Bürgerrechtler warnen vor einem weiteren Anlauf zu einer verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung.
Nichts in der letzte Woche vorgelegten Statistik spricht für die Annahme, dass das Ende der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung zu mehr Internetkriminalität geführt hätte - im Gegenteil: Im Jahr 2010 und damit im Wesentlichen nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung wurden in Nordrhein-Westfalen 11,8% weniger Internetdelikte registriert als im Vorjahr. Damit hat sich der Trend der vorangegangenen Jahre fortgesetzt (2006: 60.591, 2007: 56.432, 2008: 25.880, 2009: 54.811, 2010: 48.411). Dass der Polizei 2010 weniger Internetdelikte bekannt geworden sind, beruht nicht auf dem Ende der Vorratsdatenspeicherung, denn auf Telekommunikationsdaten darf stets nur für Ermittlungen wegen bereits bekannter Straftaten zugegriffen werden.
Die Statistik straft auch die ständige Leier maßloser Innenpolitiker und Polizeifunktionäre Lüge, das Internet sei nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung ein „rechtsfreier Raum“ oder Ermittlungen seien kaum noch möglich: Im Jahr 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen auch ohne Vorratsdaten fast zwei von drei Internetdelikten aufgeklärt (64,4%). Damit waren im Internet begangene Straftaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufzuklären als außerhalb des Internet begangene Straftaten (49,4%). Auch die Verbreitung von Kinderpornografie wurde nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung deutlich häufiger aufgeklärt (60,8%) als außerhalb des Internet begangene Straftaten.
„Da Internetdelikte auch ohne Vorratsdatenspeicherung überdurchschnittlich erfolgreich aufgeklärt werden, muss der fatale Vorschlag des Bundesjustizministeriums für eine neuerliche anlasslose Erfassung sämtlicher Internetverbindungen in Deutschland vom Tisch“, erklärt Florian Altherr vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. „99,6% der Internetnutzer werden nie einer Straftat auch nur verdächtigt. Der Schutz der 49 Mio. Internetnutzer in Deutschland vor falschem Verdacht, Datenmissbrauch und Datenpannen durch Vorratsdatenspeicherung darf nicht 'aufgrund parlamentarischer Zwänge' verhandelbar werden. Die FDP muss hier zu ihrem Wort stehen und jede verdachtslose Datenspeicherung ablehnen.“
Patrick Breyer vom Arbeitskreis ergänzt: „Im Vergleich zum Vorjahr ist die Aufklärungsquote zwar zurück gegangen. Dies entspricht aber einem langfristigen Trend (2007: 84,0%, 2008: 76,9%, 2009: 77,3%, 2010: 64,4%) und ist nicht nachweisbar auf das Ende der Totaldatenspeicherung zurückzuführen. Es ist normal, dass Straftaten im Internet auf längere Sicht nicht häufiger aufgeklärt werden als sonstige Straftaten (2010: 49,4%).“
Verbreitung, Besitz und Verschaffung kinderpornografischer Materialien ist auch nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung rückläufig (2008: 1.668 Fälle, 2009: 1.536 Fälle, 2010: 1.503 Fälle). Bei den 2010 in Nordrhein-Westfalen registrierten Internetdelikten handelte es sich nur zu 2,5% um die strafbare Verbreitung pornografischer Darstellungen, zu 80,7% um Betrugsdelikte. Gemessen an der Gesamtkriminalität handelt es sich bei weniger als 0,1% aller Straftaten um Pornografie im Internet (zum Vergleich: Straßenkriminalität 28%, Gewaltkriminalität 4%). 96,6% der 2010 in Nordrhein-Westfalen bekannt gewordenen Straftaten wurden außerhalb des Internet begangen.
„Die unverantwortliche Angstkampagne und Panikmache der Innenpolitik nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung steht in keinem Verhältnis zur Realität“, erklärt Michael Ebeling vom Arbeitskreis. „Fakt ist, dass wir mit gezielten Ermittlungen nur gegen Verdächtige nicht weniger sicher leben als es mit einer verdachtslosen Erfassung sämtlicher Verbindungsdaten der Fall wäre. Ich empfinde es als unangemessen und rechtlich fragwürdig, wenn eine ständig wiederholte emotionale Schilderung von Einzelfällen zusammen mit einer massiven Medienkampagne der aus meiner Sicht populistischen Begründung für die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung herhalten soll, die fast 70% der Bürgerinnen und Bürger ablehnen[2].“
Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 27. März will die FDP Verhandlungen mit CDU und CSU über deren Forderung nach Wiedereinführung einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten in Deutschland aufnehmen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat eine Stellungnahme[3] zum entsprechenden Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums[4] erarbeitet.
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Erstellt: 2011-03-24 07:56:07 Aufrufe: 7454
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