Wann kommt ein richtiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz?
(Stand 01.07.2011)
Nachdem sich schwarz-gelb als Hüter des Arbeitnehmerdatenschutzes aufspielt, war es an der Zeit diesen Bereich in unserem Web neu zu strukturieren und die Forderungen und Notwendigkeiten für den Arbeitnehmerdatenschutz in den Vordergrund zu stellen.
- Was soll ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz leisten?
- Wo sind die Lücken und Fallen im schwarz-gelben Arbeitnehmerdatenschutz?
- Möglicher Inhalt eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes
- Ein Blick in die Historie
Was soll ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz leisten?
Der normale, im Bundesdatenschutzgesetz geregelte, Datenschutz ist ein Individualrecht und soll die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen garantieren. In einem Beschäftigungsverhältnis stehen wir in der Abhängigkeit zum Arbeitgeber und können unsere Rechte nur beschränkt und unter der Gefahr von Sanktionen, evtl. bis zur Kündigung durchsetzen. Deshalb ermöglichen Betriebs- und Personalräte im Betrieb eine kollektive Vertretung der Arbeitnehmer.
Entsprechend muss auch ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz kollektive Regelungen vorsehen, um den Einzelnen bei der Durchsetzung seiner individuellen Interessen beim Datenschutz zu unterstützen.
Die Forderungen an ein gutes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz wurden von vielen Seiten (Datenschutzbeauftragte und Gewerkschaften) bereits formuliert.
Wo sind die Lücken und Fallen im schwarz-gelben Arbeitnehmerdatenschutz?
Dazu gibt es eine Stellungnahme von ver.di, der wir uns nur anschließen können.
Stellungnahme von ver.di zum schwarz-gelben Arbeitnehmerdatenschutz
von Heike Langenberg in
verdi KOMM 8/9 2010
Ende August hat das Bundesinnenministerium den Entwurf eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes vorlegt. Es ist kein eigenständiges Gesetz, zur Regelung des Datenschutzes von Beschäftigten wird das Bundesdatenschutzgesetz erweitert und ergänzt. Das ist einer der Kritikpunkte, die ver.di an dem Entwurf hat. "Als eigenständiges Gesetz hätte der Beschäftigtendatenschutz eine ganz andere Bedeutung bekommen", sagt Kerstin Jerchel von der Rechtsabteilung des ver.di-Bundesvorstands. Zum Beispiel hätte durch eine Aushangspflicht mehr Transparenz für die Beschäftigten geschaffen werden können.
Doch die Kritik von ver.di reicht weiter. Zu unbestimmt seien die Begriffe. Häufig sei von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit die Rede oder von betrieblichen Gründen für die Erhebung von Daten, ohne diese Begriffe näher zu definieren. Klare eindeutige Vorschriften zu einer Begrenzung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten und zum Schutz des Persönlichkeitsrechts fehlten ebenso.
Videoaufnahmen in Sanitärräumen oder Umkleiden seien zwar verboten, für andere Räume reiche es allerdings aus, wenn der Arbeitgeber auf einem Schild darauf hinweist. Dass der Betriebsrat in solchen Fällen gefragt werden muss, sagt das Gesetz nicht. "Das Gesetz enthält keine Stärkung der Mitbestimmungsrechte oder der Befugnisse der betrieblichen Datenschutzbeauftragten", kritisiert Jerchel. Dabei hätten zurückliegende Datenschutzskandale, sei es bei Lidl, der Telekom oder der Deutschen Bahn, gezeigt, dass dies wichtig gewesen wäre.
Auch der Paragraf im Gesetzentwurf, der der Korruptionsbekämpfung dienen soll, ist tückisch. Danach darf der Arbeitgeber selbst ermitteln, wenn der Verdacht auf Straftaten oder andere schwerwiegende Pflichtverletzungen besteht. "Damit wäre ein Vorgehen wie bei der Deutschen Bahn gedeckt", sagt Jerchel. Damals hatte das Unternehmen zahlreiche Daten von Lieferanten und Beschäftigten abgeglichen. Jerchel geht aber davon aus, dass der neue Paragraf auch bei Verdachtskündigungen angewendet werden kann - und damit diesen Vorschub geleistet wird.
Der Entwurf ermöglicht ärztliche Untersuchungen und Eignungstests durch den Arbeitgeber vor und - das ist neu -auch während des Beschäftigungsverhältnisses. "Damit verschlechtert der Gesetzentwurf Arbeitnehmerrechte eklatant", sagt Jerchel. Sie befürchtet, dass durch die missbräuchliche Nutzung arbeitsmedizinischer Untersuchungen unliebsame oder leistungsschwächere Beschäftigte künftig stark unter Druck gesetzt werden können.
Telekommunikationsdaten wie E-Mail oder die Internetnutzung können nach dem Gesetzentwurf anlassbezogen auch stichprobenweise zwecks Verhaltungs- und Leistungskontrolle ausgewertet werden. Auch hier seien die Formulierungen "schwammig", sagt Jerchel: "Beim Datenschutz kann es nicht darum gehen, die Persönlichkeitsrechte auf eine Ebene zu stellen mit den Eigentumsrechten oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers."
Deshalb haben die im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften dem schwarz-gelben Gesetzentwurf den Kampf angesagt. Wie Kerstin Jerchel aus dem Bereich Recht/Rechtspolitik von der ver.di Bundesverwaltung in der KOMM 6/7 2011 feststellt:
Beschäftigtendatenschutzgesetz - Stoppt diesen Gesetzentwurf!
... Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz im Laufe des parlamentarischen Verfahrens nicht mehr verbessert, sondern noch deutlich verschlechtert wird. ver.di lehnt deshalb den Regierungsentwurf in seiner vorliegenden Form als Rückschritt hinter das bisherige Datenschutzniveau ab. Durch die geplanten gesetzlichen Neuregelungen wird der bestehende Standard, der durch Entscheidungen der Arbeitsgerichte flankiert worden ist, deutlich unterschritten.
Kommt es zu den von den Arbeitgebern geforderten weiteren Verschlechterungen, und das ist mehr als wahrscheinlich, kippt die bestehende Rechtslage vollkommen und wird ins Gegenteil verkehrt. Deshalb ist auch durch Bundesvor-standsbeschluss des DGB im März dieses Jahres politisch signalisiert worden, unter diesen Umständen besser keine gesetzliche Regelung haben zu wollen.
Zeitgleich wurde eine Betriebs- und Personalräteinitiative gestartet, die sich mit einem Aufruf zum Stopp des Gesetzgebungsverfahrens an die Parlamentarier wendet. Die 30 Erstunterzeichner und -Unterzeichnerinnen sind Vorsitzende von Mitarbeitervertretungen namhafter deutscher Konzerne. Inzwischen haben sich mehr als 1300 Gremien dem Aufruf angeschlossen. Die Zeit des laufenden Gesetzgebungsverfahrens sollte aktiv genutzt werden, um diese Liste fortzusetzen. ...
Siehe dazu auch: DGB lehnt Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz ab
und Betriebs- und Personalräte starten Initiative gegen das Beschäftigtendatenschutzgesetz
und auf unseren Seiten Aufruf für vernünftigen Arbeitnehmerdatenschutz
Einige der genannten Kritikpunkte hatten wir auch bereits am Scholz Entwurf vom Februar 2009 kritisiert, d.h. auch dieser SPD-Entwurf war noch weit von einem optimalen Arbeitnehmerdatenschutz entfernt.
Positiv am Scholz-Entwurf:
- Begrüßenswerte Konkretisierungen zur Videoüberwachung oder zur Verwendung von Gesundheitsdaten von Beschäftigten
Negativ am Scholz-Entwurf:
- Bereits einfache Rechtsverordnungen sollen die Verarbeitung von Beschäftigtendaten erlauben.
- Klare Prüfungsrechte, strukturierte Aufgabenkataloge und konkrete Ausbildungsanforderungen BDSB fehlen
- Die Funktion des "Beschäftigtendatenschutzbeauftragten" ist unnötig.
- Durcheinander der Beauftragtenfunktionen ist zu befürchten.
- Die Ausführungen zu Datengeheimnis, Datensparsamkeit, dem Verbot automatisierter Entscheidungen oder zur Datenverarbeitung im Auftrag sind nahezu identisch zum BDSG.
Dies sehen auch andere so:
Datenschutzbeauftragte kritisieren Entwurf zum Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Peter Marwan auf http://www.zdnet.de/news
BMA 18.2.09: http://www.bmi.bund.de/cln_104/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2009/mitMarginalspalte/02/arbeitnehmerdatenschutz.html
BMI 4.9.09:http://www.bmas.de/portal/37286/2009__09__04__datenschutzgesetz.html Entwurf vom 17.11.09 (nach der Wahl Scholz Entwurf)
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Erstellt: 2010-10-08 08:48:03 Aufrufe: 117873
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